Am 26. Juni 1906 – vor genau 110 Jahren – schrieb Ferenc Szisz am Steuer des Renault AK 90 CV Motorsportgeschichte: Der damals 33-jährige Ingenieur gewann den Großen Preis von Frankreich, das erste jemals ausgetragene Grand Prix-Rennen überhaupt.
Mit dem Formel 1-Sport von heute hatte das Rennen jedoch nur wenig gemeinsam. Absolvieren die Rennfahrer heute pro Lauf eine Distanz von gut 300 Kilometern, so stand Szisz vor über einem Jahrhundert eine ganz andere Herkulesaufgabe bevor: Zwölf Runden mussten auf dem 103,18 Kilometer langen Dreieckskurs mit Start und Ziel nahe der französischen Stadt Le Mans absolviert werden – bei nicht weniger als 40 Grad Außentemperatur eine immense Belastung über 1.238 Kilometer auf extrem schlechten Straßen und Wegen.
Erster Grand Prix-Sieger:
Renault AK 90 CV schreibt Geschichte
Auch der Renault 90 CV des ungarischen Werksfahrers könnte im Vergleich zu den heute mit Renault Power betriebenen Formel 1-Fahrzeugen kaum unterschiedlicher sein. Mit einer Ausnahme: Beide Rennwagen-Generationen stellen zu ihrer Zeit die Spitze der Technologie dar. Schöpfen moderne Grand Prix-Boliden mitsamt dem elektrischen Zusatzschub durch die Energierückgewinnungssysteme rund 875 Turbo-PS aus 1,6 Liter Hubraum, so entwickelte das historische Vorbild 90 PS aus einem Hubvolumen von 13 Litern.
Während der aktuelle Renault R.E.16 locker 15.000 Touren erreicht, lieferte der Gusseisen-Vierzylinder von damals seine Höchstleistung bei 1.200 Umdrehungen ab. Liegt das Mindestgewicht der Kohlefaser-Rennwagen heute inklusive Fahrer und aller Flüssigkeiten bei mindestens 702 Kilogramm, galt vor mehr als 100 Jahren ein Maximalgewicht, das der 90 CV mit nur 990 Kilogramm trotz seines Stahlrahmens klar unterbot. Bremsen gab es lediglich an den Hinterrädern. Dafür besaß der Rennwagen erstmals hydraulische Stoßdämpfer, Dreiganggetriebe, Kardanwelle und eine Hochspannungs-Magnetzündung von Bosch – Hightech anno 1906.
Renault als technologischer Vorreiter:
Rasanter Radwechsel durch pfiffige Felgen
Eine weitere technische Innovation prägte den Rennverlauf: abnehmbare und damit leicht wechselbare Radfelgen. Sie waren angesichts der damals vorherrschenden Straßenverhältnisse ein unschätzbarer Vorteil. Der geübte Szisz und sein Co-Pilot benötigten nur noch vier Minuten für einen Rädertausch – gut ein Viertel der sonst üblichen Zeit für das Ab- und Wiederaufziehen konventioneller Schläuche und Decken.
Dank seiner besonnenen Fahrweise und einer beeindruckenden Höchstgeschwindigkeit von bis zu 154 km/h setzte sich der Renault Werksfahrer von seinen 31 Kontrahenten ab. Als er nach insgesamt 12:14.07 Stunden die Ziellinie überquerte, lag er souverän mit 32 Minuten vorn. Die Durchschnittsgeschwindigkeit von 101,19 km/h war zur damaligen Zeit eine Sensation.
1977: Renault sorgt für
Trendwende in der Formel 1
1977 stieg Renault erstmals in die moderne Formel 1 ein und löste mit seinem fortschrittlichen Turbokonzept eine technologische Trendwende aus. Als 1987 die Motoraufladung – die zwischenzeitlich in Leistungsexplosionen bis über 1.200 PS gipfelte – verboten wurde, wies Renault mit V10-Saugmotoren und pneumatischem Ventiltrieb erneut die Richtung.
Denn in den 90er Jahren prägte der französische Automobilhersteller eine ganze Ära in der Königsklasse des Motorsports und stärkte seinen Ruf als technologischer Vorreiter. Mit sechs Konstrukteurs- und fünf Fahrer-WM-Titeln blieb Renault zwischen 1992 und 1997 der dominierende Hersteller, bis sich die Franzosen zurückzogen.
2002 feierte Renault mit eigenem Werksteam sein Comeback, 2005 eroberte die Marke erneut den Fahrer- sowie den Teamtitel.
Zehn WM-Titel mit V8-Power von Renault
2006 lösten V8-Triebwerke die Zehnzylinder ab. Bereits im ersten Jahr der neuen Motoren-Ära untermauerte Renault gemeinsam mit Fernando Alonso seine Dominanz mit dem erneuten Gewinn der Fahrer- sowie der Konstrukteurs-Weltmeisterschaft. Die Saison 2007 markierte den Beginn einer weiteren herausragenden Partnerschaft: Red Bull Racing setzte fortan auf den Renault V8 mit 2,4 Liter Hubraum – und der Aufstieg der „roten Bullen“ zum Weltmeisterteam begann.
Spätestens ab 2010 waren Sebastian Vettel und sein Red Bull Racing-Bolide das Maß der Dinge in der Formel 1: Mit dem V8-Kraftwerk von Renault sicherten sich der Heppenheimer und sein Team vier Fahrer- sowie vier Konstrukteursweltmeistertitel in Folge. Insgesamt verbuchte der Saugmotor 60 Grand-Prix-Siege, 66 Pole Positions und 56 schnellste Rennrunden für sich. Renault ist damit der erfolgreichste Motorenhersteller der V8-Epoche.
Das Zeitalter der Turbo-Hybride
in der Motorsport-Königsklasse
In der Saison 2014 erlebte die Formel 1 eine der größten Revolutionen in ihrer Geschichte. Seither kommen 1,6-Liter-Turbobenziner zum Einsatz, die außerdem von zwei Energierückgewinnungssystemen unterstützt werden. Nur zwei Hersteller konnten im Debütjahr auf das oberste Treppchen fahren – einer davon war Renault. Der Red Bull Racing-Pilot Daniel Ricciardo feierte drei Siege mit dem hocheffizienten ENERGY F1-2014, der rund 750 PS leistete.
Seit 2016 geht Renault in der Formel 1 erneut mit eigenem Werksteam an den Start. Das Renault Sport Formula One-Team setzt zwei Renault R.S.16 für Kevin Magnussen und Jolyon Palmer ein. Für Vortrieb sorgt der R.S.16, der eine Gesamtleistung von rund 875 PS mobilisiert.
Was war Ihr persönliches Highlight in 110 Jahren Grand Prix-Geschichte mit Renault?
(Stand 06/2016, Irrtümer vorbehalten)