In Formel 1-Kreisen ist der Begriff Turbo-Pionier ein Synonym für Renault. Anfangs durchaus belächelt, trieb Renault die innovative Technik unbeirrt voran und zum Erfolg. 2019 liegt der erste Turbo-Sieg in der Königsklasse des Motorsports 40 Jahre zurück. Im Sommer 1979 hielt Jean-Pierre Jabouille dem immensen Druck beim Heimrennen in Dijon stand.
Pfeifend und fauchend zieht 1977 der erste aufgeladene Motor in die Formel 1 ein. Beim Britischen Grand Prix in Silverstone handelt sich das Renault Triebwerk gleich den Spitznamen „Teekessel“ ein. Zugegeben: Der neuartige V6-Turbomotor zahnt im Debütjahr. Doch Renault lernt schnell. Bereits 1978 holt Stammfahrer Jean-Pierre Jabouille beim Großen Preis der USA in Watkins Glen als Vierter die ersten WM-Punkte für die Marke und die ersten Zähler für einen Turbo in der Formel 1-Historie. Es ist der Beginn einer Erfolgsgeschichte sondergleichen.
Formel 1-Saison 1979: Renault rüstet auf
Das revolutionäre 1,5-Liter-Triebwerk kommt immer besser in Fahrt. Nach einigen Achtungserfolgen Jabouilles binnen zweier Lehrjahre wollen die Turbo-Pioniere 1979 ihren ersten Pokal einfahren und rüsten auf. Ein zweiter Einsatzwagen soll die Chancen verdoppeln. Am Steuer sitzt ein weiterer Franzose: Der damals 30-jährige René Arnoux bestreitet seine erste komplette Formel 1-Saison an der Seite des sechs Jahre älteren Jabouille. Die beiden profitieren von einem neu entwickelten Ground-Effekt-Auto, dem RS10. Dessen Seitenkästen sind vereinfacht gesagt wie umgekehrte Flügelprofile geformt. Das Ergebnis dieses aerodynamischen Kunstgriffs: Der Renault „saugt“ sich förmlich am Boden fest.
Im dritten Saisonlauf gelingt der nächste Meilenstein: Jabouille erringt in Südafrika die erste Pole Position für Renault, fällt im Rennen in Kyalami allerdings mit Motorproblemen aus. Schwierigkeiten mit der Zuverlässigkeit begleiten das Programm ebenso wie unberechenbares Fahrverhalten durch die abrupt einsetzende Turbopower. Noch hat Renault das Turboloch nicht im Griff. Erst zum siebten WM-Lauf in Monaco kommen die Piloten in den Genuss einer bahnbrechenden technischen Weiterentwicklung – der Twin-Turbolader gibt sein Debüt im RS10.
Renault beim Heimrennen unter Hochdruck
Beim Großen Preis von Frankreich auf der Rennstrecke Dijon-Prenois sind alle Augen auf die „National-Elf“ gerichtet – auf die gelb-weißen Formel 1-Boliden von Renault mit dem Logo des Mineralölherstellers elf auf blauem Grund. Jabouille fährt erneut auf die Pole Position. Damit nicht genug: Arnoux perfektioniert das Bild mit Startplatz zwei. Der Erfolgsdruck beim Heimrennen ist immens.
Der Start läuft nicht nach Wunsch. Ferrari-Pilot Gilles Villeneuve setzt sich von Position drei aus an die Spitze, Jabouille fährt an zweiter Stelle, Arnoux fällt zurück auf den neunten Platz und startet seine Aufholjagd. Wie entfesselt dreht er seine Runden und liegt nach 15 Umläufen wieder an Position drei. Jabouille lässt unterdessen den Kontakt zu Villeneuve nicht abreißen und knöpft ihm schließlich die Führung ab. Berühmter noch als dieses Manöver ist das anschließende Duell zwischen Villeneuve und Arnoux in den letzten Runden. Mehrfach wechseln die beiden die Positionen, quetschen sich in atemberaubender Manier aneinander vorbei. Blockierende Räder qualmen, es kommt sogar zu Berührungen. Damals kann sich noch niemand vorstellen, dass das Überfahren der weißen Linien zur Streckenbegrenzung einmal unter Strafe gestellt würde.
Minutenlang toben die beiden um den Parcours. Immer, wenn Arnoux die Nase vor dem Kanadier hat, bricht auf den Rängen Jubel los. Doch Villeneuve gibt den Kampf um Platz zwei nicht auf und hat beim letzten Konter das bessere Ende für sich. Jabouille indes fährt an diesem 1. Juli 1979 den ersten Sieg für einen Renault Motor und den ersten Turbo-Sieg der Formel 1-Geschichte souverän nach Hause. Bei der Siegerehrung mit den Klängen der Marseillaise ist die Stimmung nah am Nationalfeiertag.
Grundsteinlegung für eine Erfolgsgeschichte
Der Heimsieg von 1979 markiert den Beginn einer der größten Erfolgsgeschichten in der Formel 1. Heute zählt Renault mit zwölf Konstrukteurs- und elf Fahrer-Weltmeistertiteln zu den erfolgreichsten Herstellern in der Königsklasse. Nigel Mansell (1992), Alain Prost (1993), Michael Schumacher (1995), Damon Hill (1996), Jacques Villeneuve (1997) und Sebastian Vettel (2010 bis 2013) fuhren dank Renault Power zum WM-Triumph. Zur Riege der Renault Formel 1-Champions zählt auch Fernando Alonso: Der Spanier eroberte die begehrte WM-Trophäe 2005 und 2006 mit dem Renault Werksteam.
(Stand 09/2019, Irrtümer vorbehalten)