Tunnel machen den Weg frei. Ganz gleich, ob Berge, Flüsse, Meere und Seen oder sogar riesige Metropolen: Die unterirdischen Röhren zählen zu den genialen Erfindungen der Menschheit. Sie überwinden scheinbar unüberwindbare Hürden und verkürzen so die Fahrzeit enorm. Kurzum: Ohne sie wären moderne Verkehrskonzepte gar nicht denkbar. Kommen Sie mit auf eine abenteuerliche Reise unter die Erde. Wir zeigen die spektakulärsten Tunnel und werfen einen Blick auf eine nur scheinbar völlig verrückte Idee – eine Untersee-Verbindung zwischen New York und London.
Als Obelix vor über 2000 Jahren vor dem Ärmelkanal stand, sagte er zu seinem kleinen Freund: „Weißt Du, was gut wär‘, Asterix? Ein Verbindungstunnel zwischen Gallien und Britannien. Da wär‘ man auf der Reise vor Regen und Nebel geschützt.“1 Wie recht er doch hatte! In der realen Welt kam Napoleon 1802 auf dieselbe Idee. Allerdings wollte der französische General Großbritannien mit Hilfe eines Tunnels aus dem Hinterhalt überfallen – und schürte damit eine große Furcht. Denn gut 80 Jahre später stoppte die Angst der Briten vor Invasionen das Bauvorhaben, dabei waren sowohl die Insulaner als auch die Franzosen schon 3,5 Kilometer unter den Kanal vorgedrungen.
In den 1980er Jahren sahen die Briten dann doch ein, dass eine direkte Verbindung zum Festland den einen oder anderen Vorteil bietet. Innerhalb von nur sechs Jahren wurde der längste Unterwassertunnel der Welt fertiggestellt. Seit 1994 fahren täglich Autozüge auf der 50,45 Kilometer langen Strecke zwischen Dover und Calais.
Lærdals- und Gotthardtunnel:
Die längsten Tunnel der Welt
Für den Titel des längsten Eisenbahntunnels reicht es dennoch nicht. Diese Ehre sicherten sich im vergangenen Jahr die Schweizer. Der Gotthard-Basistunnel verbindet die Kantone Uri und Tessin und reißt mit einer Länge von 57,1 Kilometer ein gewaltiges Loch in das Gebirgsmassiv. Daneben gibt es noch den Gotthard-Straßentunnel, den jährlich Millionen Autofahrer nutzen. Er darf sich zurecht längster Alpentunnel nennen und durchbohrt das Gotthardmassiv auf einer Länge von 16,9 Kilometer – die Schweizer mögen eben nicht nur ihren Käse löchrig.
Doch was die schiere Länge angeht, können sich die Eidgenossen von den Norwegern noch eine Scheibe abschneiden. Der Lærdalstunnel ist mit 24,5 Kilometern der längste Straßentunnel der Welt. Vorteil des 2001 fertiggestellten Bauprojekts: Eine ganzjährige Verbindung zwischen Oslo und dem weit im Norden gelegenen Bergen, das in der Vergangenheit über viele Winter von der Außenwelt nahezu abgeschnitten war. Wer durch den Lærdalstunnel fährt, kann sogar in drei Haltehöhlen rasten und die sonst übliche Fahrzeit von 20 Minuten ausdehnen.
Eine Hamburger Perle: der Alte Elbtunnel
Der Hamburger Elbtunnel beweist zu den Stoßzeiten, dass auch vergleichsweise kurze Distanzen von 3,3 Kilometer ziemlich lang werden können. Als er 1975 eröffnet wurde, entlastete er die im Osten gelegenen Elbbrücken und löste damit ein großes Verkehrsproblem der Hansestadt. Doch bereits nach wenigen Jahren nutzten bereits doppelt so viele Autofahrer das nordische Nadelöhr wie zu Beginn. 2002 wurde sogar eine vierte Röhre freigegeben.
Wie dieselbe Übung noch langsamer, aber deutlich spektakulärer gelingt, zeigt der Urahn. Bereits 1911 wurde im Stadtteil St. Pauli die heute als „Alter Elbtunnel“ bekannte Flussunterführung eröffnet. Besonderheit: Es gibt keine Einfahrt, sondern einen Lift, der Autos in die Tiefe hinablässt und auf der anderen Seite wieder nach oben hievt. Wer heute durch eine der beiden Kachelröhren fahren möchte, muss lediglich zwei Euro bezahlen. Dacia Fahrer haben einen klaren Vorteil: Die praktischen Autos der rumänischen Marke überschreiten nicht die maximal erlaubte Spurbreite von 1,90 Meter.
Mont Blanc-Tunnel:
Italien gewinnt knappes Wettrennen
Der Mont Blanc-Tunnel zählt ebenfalls zu den ältesten Verkehrsröhren Europas, die heute noch genutzt werden. Jährlich passieren rund zwei Millionen Fahrzeuge die direkte Verbindung zwischen Italien und Frankreich. Besonders kurios ist seine Entstehungsgeschichte. 1946 schickte der italienische Graf Dino Lora Totino im Schatten der Nachkriegswirren auf eigene Faust einen Bautrupp los, der einen Tunnel durch den Mont Blanc buddeln sollte. Sein Ziel: Die Regierung im Dunkeln tappen lassen und ihr den fertigen Tunnel teuer verkaufen. Innerhalb eines Jahres frästen und sprengten sich die Mineure fast 200 Meter tief in den Berg, bis Rom von der Aktion erfuhr und das Militär letztlich die Bergmänner stoppte. Totino verlor damit das Wettrennen gegen die Zeit und ein paar Millionen an Investitionsgeldern, doch 13 Jahre später sollten zwei Länder den Kampf um die Höhlenhoheit wieder aufleben lassen.
Der von Frankreich und Italien geschlossene Vertrag zum gemeinsamen Tunnelbau enthielt einen brisanten Passus: Welches Team zuerst die Mitte erreichte, durfte sechs der insgesamt elf Kilometer für sich verbuchen und den Großteil der Mautzahlungen einstreichen. Am 4. August 1962 trafen sich die beiden Bautrupps in der Mitte. Der Sieg ging knapp an Italien. Drei Jahre später wurde der Tunnel feierlich eröffnet. Er kappt die Strecke zwischen Paris und Rom um 440 Kilometer – und war damals der längste Straßentunnel der Welt!
Tunnel unter Lyon
verkürzt Urlaubern die Reise gen Süden
An der französischen Tunnelbau-Ehre kratzte die Niederlage nicht lange. Schließlich hatten die Mineure ihr Können bereits unter Beweis gestellt. Bestes Beispiel: Lyon. 1952 wurde der 1,8 Kilometer lange Croix-Rousse-Straßentunnel eingeweiht, der eine der Hauptachsen durch die Stadt ist und täglich von fast 50.000 Fahrzeugen befahren wird. Knapp 20 Jahre später folgte der „Tunnel de Fourvière“. Mit 1,9 Kilometern erreicht die Röhre zwar kein Gardemaß, doch ihre Lage fasziniert umso mehr: Die Verlängerung der berühmten „Autoroute du Soleil“ (Autobahn A6) führt direkt unter dem Zentrum der französischen Metropole hindurch. Eine weitere Tunnel-Sensation ist der „Modes Doux“. Das 1,7 Kilometer lange Bauwerk ist der weltweit erste Tunnel, der auf einer derart langen Strecke Platz für Busse, Fahrräder und Fußgänger bietet. Ein Highlight: Lichtprojektionen auf den Wänden bieten den Besuchern ein einzigartiges Schauspiel – Tunnelbau ist eine Kunst für sich.
Mehr als nur Science Fiction:
Unterwassertunnel zwischen Amerika und Europa
Zu guter Letzt werfen wir noch einen spektakulären Blick in die Zukunft. Oder genauer gesagt: über den Großen Teich. Denn in den USA entwickelten die beiden Forscher Ernst Frankel und Frank Davidson bereits vor mehr als einem Jahrzehnt die Idee, die Metropolen New York und London miteinander zu verbinden – und zwar mithilfe einer gigantischen Tunnelröhre, die quer durch den Atlantik verläuft.2 Der Clou: Im Inneren soll eine Magnetschwebebahn mit Geschwindigkeiten von bis zu 1.200 Meilen pro Stunde (ca. 1.930 km/h) durch ein perfektes Vakuum gleiten und somit die Fahrzeit zwischen den beiden Kontinenten auf zirka vier Stunden verkürzen. Im Gespräch mit dem Wirtschaftsmagazin Forbes skizziert Frankel seine Idee ausführlich. Demnach könnten pro Fahrt bis zu 800 Passagiere in 80 Waggons zwischen der „Alten“ und der „Neuen“ Welt hin- und herpendeln.
Was sich verrückt anhören mag, hat tatsächlich Hand und Fuß. Kein Wunder, schließlich waren sowohl Frankel als auch Davidson Forscher am renommierten Massachusetts Institute of Technology (MIT). Frank Davidson spielte sogar eine Schlüsselrolle bei der Konzeption des Ärmelkanal-Tunnels.2 In der Fachzeitschrift „Popular Science“ konstatierte Frankel bereits 2004, dass diesem Vorhaben „unter technischen Gesichtspunkten keine ernsthaften Hindernisse im Weg“ stünden.3 Die Tunnelröhren zwischen Amerika und Europa sollten mithilfe gigantischer Anker und Ketten in bis zu 200 Metern Tiefe am Meeresboden fixiert werden – und somit unter anderem vor der Gefahr einer Kollision mit einem Eisberg geschützt sein.2 Freilich bestehen nach wie vor einige teils erhebliche Hindernisse, die den Bau dieses Tunnels bislang verhindert haben. Hierzu zählen nicht zuletzt die enormen Baukosten, die die beiden Forscher selbst auf knapp 200 Milliarden US-Dollar schätzten.2 Andere Kollegen sind diesbezüglich deutlich skeptischer. So vermutete zum Beispiel Hans Amann von der Technischen Universität Berlin im Gespräch mit der Tageszeitung „Die Welt“: „An die 175 Milliarden kann man getrost eine Null dranhängen.“3
Kennen Sie weitere außergewöhnliche Tunnel?
1 Quelle: www.comedix.de.
2 Quelle: www.forbes.com.
3 Quelle: www.welt.de.
Bildquelle Hauptmotiv: Urheber: arsdigital.
Bildquelle Gotthardtunnel: AfBN.
Bildquelle Alter Elbtunnel: www.hamburg.de.
(Stand 05/2017, Irrtümer vorbehalten)