Drama, Spannung, haarsträubende Action und ein überraschendes Ergebnis: Der ePrix von Chile bot am ersten Februar-Samstag so ziemlich alles, wovon echte Rennfans träumen – und das ganz ohne Abgas- oder Geräuschemissionen! Auch wenn sich Renault e.dams-Werksfahrer Sébastien Buemi mit Rang drei zufrieden geben musste, durften sich die französischen Elektromobilitätsexperten trotzdem über einen tollen Erfolg freuen: Den Doppelsieg errang ihr Kundenteam Techeetah mit den ehemaligen Formel 1-Piloten Jean-Eric Vergne und André Lotterer.
Der in Duisburg geborene und in Belgien aufgewachsene Lotterer zog dabei über den gesamten Rennsamstag betrachtet die größte Aufmerksamkeit auf sich: Im Qualifying hatte der Formel E-Rookie auf dem 2,46 Kilometer langen und reichlich rutschigen Stadtkurs im Herzen von Santiago de Chile plötzlich eine Runde aus dem Ärmel gezaubert, über die alle anderen Fahrer nur staunen konnten. Der Einzug in das Super-Qualifying der besten Fünf war dem zweifachen Le Mans-Sieger damit sicher, dort aber wollte der Deutsche zu viel: Er knallte vehement in die Bande, noch bevor die Stoppuhren begonnen hatten zu ticken, schleppte seinen waidwunden Einsitzer aber dennoch über die Ziellinie – und hatte Glück. Da Sam Bird ebenfalls verunfallte, seinen Rennen aber abstellen musste, und Lucas di Grassi strafversetzt wurde, war Lotterer ein dritter Startplatz hinter seinem Teamkollegen Jean-Eric Vergne und Sébastien Buemi sicher.
Auch das 37-Runden-Rennen begann turbulent. Noch vor der ersten Kurve schnappte sich „Lotti“ den vor ihm liegenden Renault R.E.17, an allen beiden aber schoss Nelson Piquet jr. mit einem halsbrecherischen Bremsmanöver vorbei auf Rang zwei. Aufgrund von Unfällen, die den Argentinier José-Maria Lopez und den Deutschen Maro Engels aus dem vierten ePrix der Saison rissen, rückte das Safety-Car aus und fing das Feld wieder ein. Nachdem die Trümmer beseitigt waren, zog Vergne sogleich davon – und Piquet war fortan damit beschäftigt, Lotterer hinter sich zu halten. Ein Duell, das er kurz vor Halbzeit verlor.
Auch nach dem obligatorischen Fahrzeugwechsel gegen Rennhälfte gingen die beiden Techeetah-Piloten wieder als Führende auf die Strecke. Ihnen war der Sprung in den zweiten Rennwagen schneller gelungen als allen anderen – erstmals bei einem ePrix hatte das Reglement keine Mindestzeit für den Autotausch vorgeschrieben. Buemi musste beim Verlassen der Box Piquet den Vortritt lassen und jagte den Brasilianer fortan durch die Hauptstadt des motorsportbegeisterten Chile. Ein erster Angriff dank Extrapower aus dem Fan-Boost misslang, dann jedoch verbremste sich der Sohn des vierfachen Formel 1-Weltmeisters aus Brasilien. Damit hatte der Renault e.dams-Werksfahrer aus der Schweiz wieder freie Sicht auf die beiden Erstplatzierten.
Wer jetzt gedacht hatte, dass sich der Formel E-Neuling nach seinem harzigen Start in diese rein elektrische Rennserie mit Rang zwei begnügen würde, kennt keinen André Lotterer: Der Vollblut-Racer eröffnete unbeschwert die Jagd auf seinen Vordermann, ein brisantes Duell entbrannte – und hätte beide kurz vor Schluss beinahe ins Verderben gerissen. Ursache war eine Fehlinformation auf dem Display des Franzosen, die ihm eine längere Renndistanz signalisierte. Vergne ging daraufhin beim Anflug auf Turn 1 für das sogenannte „Segeln“ früh vom Gas, um elektrische Energie zu sparen. Lotterer, der zeitgleich im Windschatten einen Angriff auf der Innenseite vorbereitete, erwischte dies auf dem falschen Fuß. Obwohl er beim Bremsen auch noch auf den staubigen Streckenrand geriet, konnte er seinen Formelrenner in letzter Sekunde jeoch wieder ausrichten und knallte seinem Teamkollegen kerzengerade ins Heck: ein klassischer Auffahrunfall. Mit insgesamt acht blockierenden Rädern rauschten die beiden ineinander verkeilten Monoposti auf die nächste Kurve zu, die sie dann trotzdem noch irgendwie erwischten. Welch ein Spektakel!
Dadurch sah natürlich Sébastien Buemi noch einmal seine Chance für eine letzte Attacke gekommen, die Routinier Lotterer jedoch gekonnt abblockte – immerhin kennen sich beide bestens aus der Langstrecken-Weltmeisterschaft. Am Endresultat, dem ersten Sieg für Techeetah in der Formel E-Meisterschaft und den ersten drei Plätzen für Fahrzeuge mit Renault F.E.-Antrieb, konnte dies nichts mehr ändern.
Dreimal Elektromobilitäts-Know-how
von Renault auf dem Podium
„Ich bin total glücklich über diesen Erfolg“, strahlte ein erleichterter André Lotterer im Ziel. „Ich muss noch immer viel lernen in dieser Meisterschaft, auf diesen Strecken und in diesen Autos, auch was das Überholen betrifft. Ich war das ganze Wochenende über schnell. Im Rennen fiel eine Zeit lang der Funk aus, darum wusste ich nicht genau, worum es ging. Als ich Jean-Eric angegriffen habe, kamen wir uns ziemlich nah und hätten beinahe die Kurve nicht mehr geschafft.“
„Ich weiß nicht genau warum, aber die Anzeige in meinem Auto zeigte eine Runde Restdistanz zu viel an“, erläuterte Jean-Eric Vergne. „Deswegen war ich auf einer anderen Strategie unterwegs als André hinter mir und so kam es zu diesem Missverständnis – ich glaube, wir sind mit acht blockierenden Rädern auf die Kurve zugerutscht. Da hatten wir wohl ziemlich Schwein.“
„Meinen Glückwunsch an Techeetah: Unser Kundenteam war heute schneller als wir, sie haben tolle Arbeit geleistet“, zeigte sich Sébastien Buemi als fairer Dritter. „Für uns lief es nicht ganz perfekt. Schon beim Start habe ich zwei Positionen verloren, danach kämpfte ich massiv mit durchdrehenden Hinterrädern. Bereits beim Boxenstopp wollte ich eigentlich die beiden Jaguar überholen, musste beim Losfahren aber noch andere Autos passieren lassen. Danach konnte ich sehr schnell fahren, stand aber unter Druck von Felix Rosenqvist. Aber ich konnte ihn hinter mir halten.“
Lauf fünf der Formel E-Meisterschaft findet am 3. März auf dem Grand Prix-Kurs von Mexiko-City statt.
Renault e.dams bekommt Konkurrenz durch das eigene Kundenteam – wie finden Sie diese Entwicklung?
(Stand 01/2018, Irrtümer vorbehalten)