Ende der 1960er-Jahre schickte sich Frankreich an, die Welt durch ganz neue Ideen mobiler zu machen. Das Überschallflugzeug Concorde machte den Trip über den Atlantik zum Katzensprung, Hochgeschwindigkeitszüge verbanden Paris mit Südfrankreich – und der innovative Renault 12 trat an, um Menschen auf allen fünf Kontinenten voranzubringen. 1969, also vor exakt 50 Jahren, debütierte dieses Modell, das nicht nur ein wichtiges Kapitel der Renault Geschichte schrieb, sondern auch das Fundament der Erfolgsstory von Dacia bildete.
Nachfolger gesucht: Als sich der kantige Renault 8 dem Ende seiner Modelllaufbahn näherte, beschloss Renault, dessen Konstruktionsprinzip umzudrehen. Statt Heckmotor und Heckantrieb sollte der Neue ein Fronttriebler werden. Der Renault 4 fuhr mit diesem Konzept schon seit 1961 in die Herzen von Millionen Menschen, die hochmoderne Fließhecklimousine Renault 16 hatte den Frontantrieb 1965 auch in der gehobenen Mittelklasse hoffähig gemacht. Nun also der… tja, wie sollte der Neuling heißen?
Zunächst einmal taufte Renault ihn „Projekt 117“. Die Entwickler wollten einen besonders robusten und alltagstauglichen Mittelklassewagen auf die Räder stellen. Von Anfang an zielte mit der viertürigen Limousine nicht nur auf den französischen und europäischen Markt. Vielmehr sollte der Fronttriebler ein wahres Weltauto werden, das auch in Nordafrika und vielen weiteren aufstrebenden Ländern außerhalb Europas bezahlbare Massenmobilität ermöglichen sollte. Robust genug für schlechte Straßen, komfortabel genug für französische Bedürfnisse.
Moderne, aber technisch bodenständige Konstruktion
Auf dem Pariser Autosalon 1969 lüftete Renault dann den Vorhang: Der neue Renault 12 fuhr ins Rampenlicht. Eine Stufenheck-Limousine mit interessanter Linienführung, deren markantes Merkmal der Mix aus ansteigendem Dach und abfallendem Fahrzeugheck ist. Als erster Renault mit Frontantrieb besitzt der 12er eine moderne Mittelschaltung – statt des Lenkradhebels im R16 und dem Revolvergriff im R4. Mit dem modernen 1,3-Liter-Motor und Scheibenbremsen vorn befand sich der Renault 12 technisch voll auf der Höhe der Zeit. Das Fahrwerk mit Schraubenfedern an allen vier Rädern und hinterer Starrachse fiel mit Blick auf die potenziellen Exportmärkte bewusst bodenständig aus.
Formschöner Familienkombi und kultiger Renault 12 Gordini
1970 folgte dem Viertürer ein formschöner Familienkombi, der in Deutschland als „Variable“ und in Frankreich als „Break“ antrat. Nur ein Jahr später zündete Renault eine echte Rakete: Der 185 km/h schnelle Renault 12 Gordini – heute ein gesuchter Kult-Klassiker – mischte mit seinem 1,6-Liter-Vierzylinder aus dem Renault 16 und zwei Weber-Doppelvergasern sogar das sportliche Sechszylinder-Establishment seiner Zeit auf. Statt Stoßstangen trug er seitliche Rallye-Streifen, ein eigener Markenpokal unterstrich die Motorsport-Begeisterung der Marke. 1971 feierte die Formel Renault Meisterschaft in Frankreich ihr Debüt – mit dem Motor aus dem Renault 12 Gordini im Heck.
Auch das auf dem R12 basierende Sportcoupé-Duo Renault 15/17, das im Herbst 1971 erschien, belegte dessen Vielseitigkeit. Ein Facelift 1975 bescherte dem R12 kantigere Linien sowie größere Frontscheinwerfer und Heckleuchten. Renault baute den 12er bis 1980, dann übergab er den Stab an den Renault 18.
Renault 12 legte die Basis für die Erfolgsgeschichte von Dacia
Beendet war die Geschichte dieses epochalen Modells damit aber längst nicht. Denn die vielleicht größte Bedeutung des Renault 12 liegt darin, dass diese Erfolgskonstruktion auf mehreren Kontinenten und unter verschiedenen Marken gebaut und gut verkauft wurde. In Südamerika nutze Ford die Plattform für ein eigenes Modell, in Australien erhielt er den Titel „Car oft he Year“, in der Türkei wurde er in Lizenz gebaut, sogar in Neuseeland entsteht eine lokale Produktion des R12.
Vor allem legte dieses Modell aber den Grundstein für die spätere Renault Tochter Dacia. Schon 1969 – zeitgleich mit dem Start des „Originals“ – begann in Rumänien die Fertigung des Dacia 1300, wenig später folgte auch der Kombi unter der Bezeichnung 1301. Der ambitionierte Ost-Hersteller leitete Exoten wie das Dacia Sport Coupé 1410, die fünftürige Schräghecklimousine Dacia 1320, Pick-ups und 4×4-Versionen ab, doch der 1300er avancierte zum Herz der Marke. Bis zum endgültigen Produktionsende 2004 baute allein Dacia fast zwei Millionen Fahrzeuge dieses Typs, der sich als eines der ersten Weltautos in die Automobilhistorie verewigte.
(Stand 11/2019, Irrtümer vorbehalten)