Die R4-Restaurierung von Jörg Kettern ist ein ganz besonderes Beispiel für automobile Leidenschaft. Passend zum 60-Jahr-Jubiläum des Klassikers haucht der Saarländer – der jüngst selbst 60 Jahre jung wurde – einem Renault 4 von 1983 neues Leben ein. Wir begleiten das Projekt in einer mehrteiligen Serie. In der dritten und letzten Folge biegen wir auf die Zielgerade ein. Der rote R4, er läuft! Aus seinem kleinen Auspuff pöttert der frisch restaurierte Franzose munter vor sich hin und leistet künftig als Alltagsauto treue Dienste.
Welch ein Tag! Am Himmel sorgt der Wechsel zwischen strahlendem Blau und wuchtigen Wolken für ein beeindruckendes Schauspiel. Die Sonne scheint mit spätherbstlicher Vehemenz auf das schöne Saarland und verströmt noch einmal wohlige Wärme, bevor Herbst und Winter für Monate das Bild bestimmen. Und mittendrin: ein automobiles Kleinod. Ganz in Rot, ganz neu restauriert und ganz einfach schön.
R4-Restaurierung: Die rote Diva will erobert werden
Der knapp 40 Jahre junge Renault 4 von Jörg und Maria Kettern fügt sich perfekt in die Szenerie. Umgeben von sattgrünen Wiesen und gelben Maisfeldern fährt er ins Rampenlicht, das Mutter Natur an diesem Tag zum Besten gibt. Aus dem „Puzzle für irre Erwachsene“ ist tatsächlich ein großartiges Ganzes geworden. Die unzähligen Arbeitsstunden von Jörg Kettern – weit mehr als 500 flossen gewiss in die R4-Restaurierung – haben sich ausgezahlt.
Der Selfmade-R4-Restaurator, Energieanlagen-Elektroniker, Rallye-Fahrer und Schrauberkönig hat einem alten, in seine Einzelteile zerlegten Franzosen mit viel Sachverstand und Liebe neues Leben eingehaucht. Wenngleich sich der Renault 4 auf den letzten Metern noch ein wenig bitten ließ, bevor wirklich alles rund lief. Bei der Feinjustierung der Motoreinstellung legte die rote Schönheit nämlich ein leicht divenhaftes Verhalten an den Tag und forderte von ihrem Erbauer noch einmal dessen ganze Aufmerksamkeit ein.
„Karosserie, Fahrwerk, Bremsen, Innenraum – alles war fertig, passte und funktionierte perfekt. Nur der Motor machte von Beginn an Zicken: Er nahm einfach kein Vollgas an“, erzählt Jörg Kettern. „Die anschließende Fehlersuche blieb zunächst erfolglos: Ich testete nahezu alle relevanten Bauteile – von der Benzinpumpe über Filter und Zündanlage bis hin zur Unterdruckverstellung am Verteiler. Ja sogar den Vergaser habe ich mehrfach aus- und nach einer gründlichen Reinigung wieder eingebaut. Es half alles nichts.“
Der Schlüssel zum Herzen des R4? Eine Frage des Gewichts
So hielt der R4 Jörg auch nach seiner eigentlichen Fertigstellung noch auf Trab. Dessen Gedanken kreisten unentwegt darum, wie sich das Problem wohl beheben ließe. Bei der Fehlersuche bediente sich der Saarländer sowohl des analogen als auch des digitalen Wissenskosmos: Jörg Kettern wälzte Bücher und surfte durch Internetforen. Den Schlüssel zum Herzen der roten Diva fand er dort jedoch nicht.
Letztlich war es ein befreundeter Kfz-Meister, der den entscheidenden Tipp zur Perfektion der R4-Restaurierung beisteuerte: „Mein Kumpel Andreas riet mir, doch mal die Gewichte der Fliehkraftverstellung am Verteiler zu überprüfen. Und siehe da: Die verrichteten nur sehr schwergängig ihren Dienst. Also war ausbauen, reinigen und fetten angesagt.“
Und tatsächlich: Die anfänglich noch etwas humpelnde Schönheit bewegte sich plötzlich leichtfüßig und quicklebendig auf dem asphaltierten Parkett – auch unter Volllast. Sehr zur Begeisterung von Jörg. Und natürlich von Ehefrau Maria, die sich schon lange darauf gefreut hatte, das fertig restaurierte Schmuckstück als Alltagsauto zu nutzen. „Das war schon ein tolles Gefühl, zum ersten Mal mit dem R4 auf Tour zu gehen. Ich mag das ungefilterte Autofahren, jeder Meter mit dem kleinen Renault bereitet mir großen Fahrspaß“, berichtet Maria Kettern.
Der Renault 4 erntet Bewunderung und absolviert seine erste Rallye
Ein weiterer Nebeneffekt des neuen, alten Autos: Maria hatte fortan noch mehr Bewunderer. „Im Alltag und an meiner Arbeitsstelle wurde ich schon mehrfach auf den R4 angesprochen. Ein technisch offenbar recht versierter Kunde wollte wissen, welche Fachwerkstatt für die gelungene und vermutlich doch recht teure Restaurierung verantwortlich sei. Als ich ihm erzählte, dass mein Ehemann das Fahrzeug in Eigenregie von Grund auf restauriert hatte, war das Erstaunen groß. Sein Kommentar: ,Das ist natürlich unbezahlbar!‘“
In der Tat: Dass es sich sowohl beim roten R4 als auch bei ihrem Jörg um ebenso unbezahlbare wie einzigartige Exemplare handelt, würde gewiss nicht nur Maria sofort unterschreiben. Wann immer es sein knapper Zeitplan erlaubt, geht auch der Tausendsassa mit dem R4 auf automobile Zeitreise. Eine der ersten Touren führte Jörg, Maria und den Renault 4 quer durch das Saarland und das angrenzende Rheinland-Pfalz: Im Rahmen der sogenannten Abstandsrallye der Fachzeitschrift „Oldtimer Markt“ galt es, Orte anzusteuern, deren Anfangsbuchstaben den Lösungssatz „Der Weg ist das Ziel“ ergaben. Als Beweis für die erfolgte Visite dienten Fotos der jeweiligen Ortsschilder.
Für diese ganz besondere Foto-Tour spulten das Ehepaar und sein R4 mehrere hundert Kilometer ab. Der französische Oldtimer meisterte die Härteprüfung mit Bravour. Inzwischen verweilt er trocken und geschützt im Winterquartier, während draußen der dunkle Geselle Winter das Land mit Frost und Nässe fest im Griff hat.
Doch schon in wenigen Monaten, wenn der Frühling seine ersten Vorboten über die Felder schickt, heißt es für den roten R4 wieder: Raus ins Leben – und welch ein Tag!
(Stand 12/2021, Irrtümer vorbehalten)