Autoreifen sind heimliche Helden des Alltags. Ganz gleich, ob bei Sonne, Regen oder Schnee: Dank moderner Reifen profitieren Autofahrer bei jedem Wetter von bestmöglicher Traktion, hohen Sicherheitsreserven und angenehmem Fahrkomfort. Aber hätten Sie gewusst, dass Autoreifen lange Zeit gar nicht schwarz waren, sondern eher einen gelblichen Farbton hatten? Und dass ihre Erfolgsgeschichte mit einem Kinderdreirad begann? Wir nehmen Sie mit auf eine spannende Reise durch die Historie des Autoreifens.
Wie wäre es mit einem kleinen Gedankenexperiment? Stellen Sie sich einfach mal eine Welt ohne Reifen vor. Das Ergebnis: Rund um den Globus würde vermutlich Stillstand herrschen – und zwar im wahrsten Wortsinne. Doch zum Glück läuft ja alles rund. Und das verdanken wir cleveren Tüftlern, die im 19. Jahrhundert mit ihren Erfindungen einen wichtigen Grundstein für eine neue Form der Mobilität legten.
Erster luftgefüllter Autoreifen debütiert 1898
Rückblick: Die ersten Automobile oder Motorwagen holperten in Europa ab Mitte der 1880er Jahre noch auf Holzrädern über das mehr schlecht als recht ausgebaute Wegenetz. Zum Schutz vor Steinen und Geröll diente häufig ein Eisenring, der sich rund um das Rad spannte. Fahrkomfort spielte in der Frühzeit des Automobils eine eher untergeordnete Rolle. Auch die Vollgummireifen, die kurz darauf das rustikale Holzrad ablösten, änderten daran nur wenig. Es sollte bis 1898 dauern, bis die ersten Autoreifen mit luftgefülltem Schlauch in Serie gingen.1
Möglich machte dies der Erfindungsreichtum gleich dreier Männer: 1839 entdeckte der US-Amerikaner Charles Goodyear eher zufällig den Prozess der Vulkanisierung – also die Umwandlung von Kautschuk in Gummi.1 Sechs Jahre später ließ sich der Schotte Robert William Thomson den Luftreifen patentieren.2 Der Unternehmer war das „Gerüttele“ leid, das seine Fuhrwerke auf den Straßen von Edinburgh erdulden mussten. Eine Lösung musste her. Zunächst in Form von aufgeblasenen Därmen, später kamen – Charles Goodyear sei Dank – Reifenummantelungen aus Gummi zum Einsatz. Der wirtschaftliche Durchbruch blieb Thomson jedoch verwehrt.
Reifen-Leistung: Dreirad-Innovation von Dunlop und erster luftgefüllter Autoreifen von Michelin
1888 entwickelte der schottische Tierarzt John Boyd Dunlop für das Dreirad seines Sohnes einen luftgefüllten Reifen mit Gummischlauch. Als Ventil diente eine Eigenkonstruktion aus einem Babyschnuller und der Spitze einer Stricknadel.3 Diese patentierte Erfindung markierte einen wichtigen Meilenstein in der Historie des Reifens. Schon ein Jahr später starteten die neu gegründeten Dunlop-Reifenwerke mit der Produktion von Fahrradreifen.1
Parallel widmeten sich im französischen Clermont-Ferrand die beiden Brüder André und Edouard Michelin der Herstellung von Luftreifen für Fahrräder, die im Gegensatz zu den Konkurrenzprodukten sogar demontierbar waren. Und das überaus erfolgreich: 1891 gewann Charles Terront das Radrennen Paris-Brest-Paris auf Reifen von Michelin. 1895 stattete die Marke beim Rennen Paris-Bordeaux-Paris erstmals ein Automobil mit Luftreifen aus.4
Reifenentwicklung: rasende Rekorde und rasantes Innovationstempo
1899 stellte das ebenfalls mit Reifen von Michelin bestückte Elektroauto „La Jamais Contente“ einen neuen Geschwindigkeitsrekord für Straßenfahrzeuge auf: Der Belgier Camille Jenatzy durchbrach als Erster die für damalige Verhältnisse magische „Schallmauer“ von 100 km/h.5 Bei den Reifen handelte es sich um Spezialanfertigungen mit elastischem Wulst.1
In den folgenden Jahrzehnten schritt die Reifenentwicklung in rasantem Tempo voran. Unter anderem mischte Continental den Markt mächtig auf: 1899 präsentierte das Unternehmen den ersten Autoreifen mit einer Lebensdauer von rund 500 Kilometern1, 1904 folgte der erste profilierte Autoreifen.4 Auch das Erscheinungsbild der Gummis veränderte sich grundlegend – von Weiß oder gelblich hin zum bis heute üblichen Schwarz. Der Grund: Um die Widerstandsfähigkeit und Lebensdauer der Autoreifen zu erhöhen, mischten die Produzenten den Mixturen Ruß bei.6
Erster Winterreifen: Semperit Goliath
1922 liefen bei Dunlop die ersten Autoreifen vom Band, deren Wulst über einen Stahldraht verfügte – eine Technologie, die bis heute in der Reifenproduktion zum Einsatz kommt. 1936 enthüllte Semperit mit dem „Goliath“ den ersten Winterreifen der Welt.7 1943 gelang Continental mit dem patentierten schlauchlosen Reifen ein weiterer Meilenstein. Drei Jahre später sorgte Michelin mit dem ersten Stahlgürtelreifen für Aufsehen.1
Ab 1950 erweiterten die ersten Allwetter- oder M+S-Reifen (Matsch und Schnee) das Angebot.8 1962 setzte erneut Dunlop neue Maßstäbe: Das Unternehmen entwickelte eine Technologie zur Reduzierung des Aquaplanings – also jenes bei Autofahrern gefürchteten Effekts, der das Fahrzeug bei nasser Strecke aufschwimmen lässt.9
Auch danach schritt die Reifenentwicklung unaufhörlich voran. Weitere Highlights waren zum Beispiel 1980 der erste Ganzjahres- sowie 1992 der erste Runflat-Reifen von Goodyear7 und die ersten rollwiderstandsoptimierten Reifen aus dem Hause Michelin (1992).
Übrigens: Wenn Sie wissen wollen, worauf Sie beim Thema Reifen und Reifenwechsel achten sollten, lesen Sie unser Experten-Interview. Hier erfahren Sie jede Menge praktische Tipps – unter anderem zu Sommer- und Winterreifen, der richtigen Reifenlagerung und vielem mehr.
1 Quelle Gib Gummi:www.spiegel.de.
2 Quelle 1845 wurde der Gummireifen erfunden: www.wasistwas.de.
3 Quelle John Boyd Dunlop – der Erfinder des bequemen Fahrens: www.deutschlandfunk.de
4 Quelle Die Geschichte des Autoreifens in sieben Etappen: www.welt.de.
5 Quelle Der Weltrekord der Jamais Contente: www.nzz.ch.
6 Quelle Rekorde und ein blauer Engel: www.spiegel.de.
7 Quelle Reifen von Semperit: www.semperit-reifen.de.
8 Quelle Reifengeschichte: www.k-online.de.
9 Quelle Dunlop: www.dunlop.eu.
(Stand 04/2019, Irrtümer vorbehalten)