Sommer, Sonne, schweißtreibende Temperaturen – diese Attribute verbindet Otto Normalbürger normalerweise mit Brasilien. Aus langjähriger Erfahrung wissen Formel 1-Fahrer und -Fans jedoch nur zu gut, dass die Realität häufig ganz anders aussieht. Der Große Preis von Brasilien belegte das an diesem Novembersonntag wieder einmal auf äußerst eindrucksvolle Weise. Denn statt Sommer, Sonne und schweißtreibender Temperaturen erwartete die Formel 1-Teams in Interlagos ein echtes Regenchaos. Auch für das Renault Sport F1 Team war es ein ereignisreicher Grand Prix.
Jolyon Palmer und Teamkollege Kevin Magnussen gingen in ihren Renault R.S.16 von den Startplätzen 16 und 18 in das vorletzte Rennen der Saison. Aufgrund des strömenden Regens, der das Autódromo José Carlos Pace in eine einzige Rutschbahn verwandelte und den Piloten durch die aufgewirbelte Gischt die Sicht erschwerte, drehte das komplette Feld vor dem eigentlichen Start einige Runden hinter dem Safety Car. Nachdem die Ampel auf Grün geschaltet hatte, erlebten die Fans in der Anfangsphase zahlreiche turbulente Szenen und spektakuläre Unfälle. Magnussen wechselte in der siebten Runde von Regen- auf Intermediate-Pneus, zwei Umläufe später holte sich auch Palmer „Intermeds“ ab.
In Folge der starken Niederschläge und einer Vielzahl von Kollisionen schickte die Rennleitung in der 14. Runde erneut das Safety Car auf die Strecke. Dieses bog im 20. Umlauf wieder in die Boxengasse ab, allerdings sorgte schon kurz nach dem Restart der Unfall von Kimi Räikkönen für einen vorläufigen Rennabbruch. Zu diesem Zeitpunkt hatte sich Kevin Magnussen bereits auf die 13. Position nach vorne gekämpft. Jolyon Palmer rangierte auf Platz 19. Die beiden Red Bull Racing von Jos Verstappen und Daniel Ricciardo kamen auf den Positionen drei und acht zur kollektiven Zwangspause in die Boxengasse. Beide profitieren ebenfalls von Motorentechnologie aus dem Hause Renault, denn der RB12 wird von einem Hybridaggregat angetrieben, das baugleich ist mit dem Renault R.E.16.
Gischt raubt Sicht: Erneute
Rennunterbrechung beim GP von Brasilien
Nach einer 35-minütigen Unterbrechung ging das Feld wieder hinter dem Safety Car auf die Piste. Für Renault Werksfahrer Jolyon Palmer war der Grand Prix von Brasilien jedoch nach 26 Runden vorzeitig beendet. Aufgrund der extrem schlechten Sichtverhältnisse kollidierte der Brite mit einem Konkurrenten und musste sein Fahrzeug mit gebrochener Aufhängung abstellen. Nach sieben Runden hinter dem Safety Car wurde das Rennen erneut unterbrochen. Denn der Himmel hatte inzwischen seine Schleusen noch heftiger geöffnet und die von den Fahrzeugen hochgewirbelte Gischt erschwerte den Piloten die Sicht extrem.
Es dauerte erneut rund eine halbe Stunde, bis das gesamte Formel 1-Feld die Boxengasse verließ und zunächst drei Umläufe hinter dem Safety Car absolvierte. Dann gab Renndirektor Charlie Whiting den Grand Prix von Brasilien in der 32. Runde wieder frei. Schon kurz nach dem Restart kämpfte sich Red Bull Racing-Pilot Max Verstappen an Nico Rosberg vorbei auf die zweite Position.
Holland in Not: Verstappen zaubert
Drift mit 250 km/h aufs Parkett
In Runde 39 gelang es dem jungen Niederländer mit einer fahrerischen Meisterleistung, seinen Red Bull beim Herausbeschleunigen auf die Start-Zielgerade bei rund 250 km/h im wilden Drift abzufangen. Doch damit nicht genug: Verstappen verteidigte sogar Platz zwei gegen Rosberg. Teamkollege Ricciardo belegte Rang fünf. Nach 41 Runden wechselte der Australier auf Intermediate-Reifen und trat zudem eine Fünfsekunden-Zeitstrafe an. Der Grund: Ricciardo war zuvor in die Box abgebogen, obwohl die Rennleitung diese nach einem Dreher eines Konkurrenten kurzfristig gesperrt hatte. Drei Umläufe später holte sich auch Verstappen Intermediates ab und reihte sich als Fünfter wieder ein.
In der 49. Runde musste das Safety Car ein weiteres Mal ausrücken, nachdem sich Felipe Massa am Eingang der Boxengasse gedreht hatte. Zwischenzeitlich wurde der Regen noch stärker, sodass Verstappen sechs Umläufe später erneut seine Mannschaft ansteuern und von Intermediates auf Regenpneus wechseln musste. Kurz darauf machte das Safety Car den Piloten den Weg zum vierten Restart frei. Nach dem zusätzlichen Stopp kämpfte sich Verstappen mit seiner beherzten Fahrweise und einer ganz eigenen Linienwahl im Nassen sukzessive durch das komplette Feld. Am Ende enterte der Youngster mit Rang drei noch das Podest. Teamkollege Daniel Ricciardo beendete den Grand Prix von Brasilien auf Platz acht, Kevin Magnussen kam mit dem Renault R.S.16 auf Position 14 ins Ziel. „Die Bedingungen waren heute sehr schwierig“, erklärte der Däne. „Das gilt insbesondere für Kurve 12. Im Trockenen geht diese Passage eigentlich voll, aber im Nassen bildete sich hier viel Aquaplaning und wir waren ständig am Limit unterwegs. Ich wäre heute gerne mehr Runden im Renntempo gefahren. Nach einem Unfall ist es natürlich die richtige Entscheidung, das Rennen zu unterbrechen, denn Sicherheit geht immer vor. Aber danach war die Rennleitung für meinen Geschmack etwas zu vorsichtig. Letztlich müssen wir Fahrer selbst entscheiden, wie schnell wir bei Regen unterwegs sind. Wir müssen uns an die Bedingungen anpassen und dürfen dabei genau wie im Trockenen eben nicht über das Limit gehen.“
Teamkollege Jolyon Palmer erlebte seinen Unfall im absoluten Blindflug: „Im Gegensatz zu den Autos vor mir war ich zu diesem Zeitpunkt auf Regenreifen unterwegs und hatte daher mehr Grip. Leider waren die Sichtverhältnisse derart schlecht, dass ich gerade noch mein Lenkrad erkennen konnte. Ich sah die Strecke nicht und wusste lediglich, dass sich irgendwo neben mir die Boxeneinfahrt und die Boxenmauer befinden mussten. Ich konnte einfach nichts erkennen. Vor mir war Daniil Kvyat langsamer unterwegs und ich bin ihm ins Heck gefahren“, berichtete der Brite.
„Ein schwieriges Rennen für das gesamte Team“, konstatierte Teamchef Fred Vasseur. „Leider brach die Performance mit den Regenreifen nach einigen Runden ein, daher mussten wir wann immer möglich auf die Intermediate-Pneus wechseln. Am Ende verpassten wir mit Kevin die Punkteränge nur knapp und mussten Jolyons Auto nach der Kollision mit Kvyat in Folge eines Aufhängungsschadens zurückziehen. Jetzt freuen wir uns auf das Saisonfinale in Abu Dhabi und hoffen, dass die Bedingungen dort besser sein werden.“
Was ist Ihre Meinung: War die Entscheidung der Rennleitung richtig, den GP von Brasilien aus Sicherheitsgründen mehrfach zu unterbrechen?
(Stand 11/2016, Irrtümer vorbehalten)