Von so viel Action können sich viele Rennserien eine Scheibe abschneiden: Der ePrix von Berlin war vom ersten bis zum letzten Meter vollgepackt mit packenden Szenen und begeisternden Zweikämpfen. Und obwohl keine Steigerung mehr nötig gewesen wäre, führte eine Safety Car-Phase kurz vor Schluss auch noch zu einem furiosen Finale.
Sie heizten durch die Hauptstadt, als gäbe es kein morgen: Die Formel E-Meute inszenierte rund um den Strausberger Platz ein wahres Rennsportfest. Schon in den morgendlichen Trainingssessions und dem Zeitfahren im Qualifying riss die rasante Streckenführung in Berlin-Mitte und -Friedrichshain die Fans von den Sitzen. Und als um Punkt 16 Uhr die Startampel das Rennen freigab, ging es gleich auf den ersten Metern noch mal so hoch her: Beim Sprint runter zur ersten Spitzkehre ging der von Platz zwei gestartete Sébastien Buemi im Renault Z.E.15 entschlossen längsseits zum Pole-Sitter Jean-Eric Vergne. Auf der letzten Rille bremste sich der Schweizer auf der Innenlinie in die 180-Grad-Kehre hinein, beschleunigte mit tänzelndem Heck und eroberte letztlich die Führung.
Doch der hochmotivierte Vergne ließ sich nicht lumpen: Nur wenige Runden später kopierte er – wenn auch an anderer Stelle der Strecke – in einem Überraschungscoup Buemis Manöver. Nur um Zentimeter getrennt wuchteten die beiden ihre Elektroboliden durch die Kurve, „JEV“ setzte sich durch und lag wieder auf Position eins.
Duell um die Spitze, Dreikampf um die Podestplätze
Und wieder dauerte es nur kurz, bis sich das Blatt erneut wendete. Mit vollem Vertrauen in die Bremsen seines Renault Z.E.15 und den Grip seiner Michelin-Reifen zog Buemi in der Bremszone neben Vergne, behielt die brachiale Verzögerung kontrolliert im Griff – schon lag der Formel E-Vizeweltmeister in Front. Von nun an behielt Buemi das Heft fest in der Hand. Nur eines wurmte den siegreichen Schweizer nach der Zieldurchfahrt: „Nachdem ich die Führung ausgebaut hatte, sparte ich wieder Energie, um mir eine kleine Reserve für den Angriff auf die schnellste Rennrunde anzulegen. Die habe ich leider knapp verpasst. Im zweiten Auto habe ich nochmals versucht, die schnellste Runde zu fahren. Dass auch das nicht klappte, bleibt heute das einzige enttäuschende Detail.“
Sei’s drum: Durch den Sieg im ePrix von Berlin hat Buemi bis auf einen Punkt auf den Tabellenführer Lucas di Grassi aufgeschlossen und besitzt nun wieder exzellente Titelchancen. Nicolas Prost war sogar drauf und dran, seinem Renault e.dams Teamkollegen die WM-Führung zu bescheren, denn er hielt di Grassi lange hinter sich. „Ein sehr gutes Rennen, in dem ich in viele Zweikämpfe verwickelt war – genau genommen das gesamte Rennen lang“, schmunzelte der Franzose. Der Fight um die Podestplätze unterhielt die Zuschauer in Berlin fast die gesamte Renndistanz allerbestens.
Beide deutschen Formel E-Stars in Berlin sehr stark
Mit Daniel Abt hatten sie sogar einen Deutschen auf dem Podest zu bejubeln. Der Allgäuer wurde Zweiter vor seinem Teamkollegen di Grassi und Prost. Eine weitere große Geschichte dieses Berlin ePrix schrieb der zweite Lokalmatador: Nick Heidfeld aus Mönchengladbach. Im Qualifying hatte der Deutsche mit Platz fünf aufhorchen lassen, war dann jedoch wegen zu geringen Luftdrucks in den Reifen ans Ende der Startaufstellung verbannt worden. Von dort kämpfte er sich unwiderstehlich bis auf Rang sieben vor – auf einem engen Stadtkurs eine sensationelle Leistung.
Das Schlusswort aber gehört Sébastien Buemi: „Ich kann gar nicht in Worte fassen, wie glücklich ich über diesen Sieg bin. Das sind richtig viele Punkte für die WM-Wertung. Jetzt muss ich mich auf die beiden letzten Rennen konzentrieren. Es wurde noch mal ziemlich eng, als das Safety Car raus kam – glücklicherweise konnte ich den Sieg ins Ziel bringen. Das Team hat sehr hart gearbeitet und einen fantastischen Job gemacht. Jetzt denke ich schon an London und wie wir dort agieren müssen.“
Nur ein Punkt trennt die beiden WM-Spitzenreiter. Erobert Renault e.dams-Pilot Buemi in London die WM-Krone?