Wenn es stimmt, was Experten sagen, dann verheißt der Grand Prix von Spanien Großes: Das Formel 1-Rennen nahe der katalanischen Metropole Barcelona gilt als Gradmesser für den Rest der Saison. Damit bekommt der Sieg von Red Bull Racing-Pilot Max Verstappen eine noch höhere Bedeutung – rein konstruktiv vertraut der blutjunge Holländer auf den gleichen Motor, der auch im Heck des Renault R.S.16 Dienst verrichtet.
Der Große Preis von Barcelona begann mit einem Paukenschlag und endete mit einem – sehr zur Freude von Abermillionen Zuschauern. Denn schon in der zweiten Kurve der ersten Runde wurden die Karten neu gemischt: Mit einem reichlich optimistischem Manöver versuchte Pole Position-Mann Lewis Hamilton, sich die bereits verlorene Führung von seinem ziemlich kompromisslos agierenden Teamkollegen Nico Rosberg zurückzuerobern. Das Vorhaben misslang gründlich, beide Mercedes rodelten demoliert ins Aus.
Als die beiden prominentesten Profiteure dieser kuriosen Aktion durften sich die beiden Red Bull Racing-Piloten freuen: Plötzlich führte Daniel Ricciardo vor Max Verstappen, dem gerade mal 18 Jahre alten Niederländer, der in der Woche zuvor mit dem zuletzt glücklos agierenden Russen Daniil Kvyat den Rennstall getauscht hatte. Im Heck beider Auto verrichtete der gleiche Sechszylinder-Turbomotor mit Hybrid-Technologie den Dienst, der auch den Renault R.S.16 antreibt. Ihnen folgte zunächst Carlos Sainz im Toro Rosso, doch der Spanier konnte die wütenden Attacken von Ferrari-Star Sebastian Vettel nicht lange abwehren. Auch Kimi Räikkönen im zweiten roten Boliden aus Maranello rückte schnell nach. Es entwickelte sich einer der spannendsten Grands Prix der vergangenen Jahre.
Ein Gourmet-Rennen
auch für Taktikliebhaber
Aus dem Spitzenquartett ging Ricciardo als erster an die Box, um in Runde elf neue Reifen aufziehen zu lassen. Verstappen und Räikkönen folgten einen Umlauf später. Vettel ließ sich bis zur 15. Runde Zeit – und kehrte ebenfalls mit der mittelharten Mischung auf die Strecke zurück. Die Abstände unter den ersten Vier rückten immer näher zusammen. Nicht nur die Zuschauer, auch die Rennstrategen an der Boxenmauer rätselten angesichts weiter steigender Asphalttemperaturen, welche Taktik wohl die beste sein könnte: zwei oder gar drei Stopps?
In Runde 28 warf Ricciardo als erster den Hut in den Ring: Er bog erneut in die Boxengasse ab und wechselte auf die weicheren Pneus zurück. Dies sprach ganz klar für eine Dreistopp-Strategie. Vettel folgte direkt im Anschluss, auch er griff zu den gelb markierten Reifen. Verstappen – der zum zweiten Mal in diesem Rennen die Ehre hatte, als jüngster Fahrer aller Zeiten einen Formel 1-Grand Prix anzuführen – zögerte seinen Wartungstermin jedoch bis zur 34. Runde hinaus. Dann setzte der Sohn des ehemaligen Benetton-Renault-Piloten Jos Verstappen das Rennen mit den etwas härteren M-Pneus fort. Kimi Räikkönen machte es ihm nur einen Umlauf später nach. Würden sie damit die komplette zweite Hälfte des fünften Saisonlauf bestreiten können?
Hochspannung pur:
Rad-an-Rad-Duelle und Strategieschach
Eine brisante Ausgangslage. Während sich an der Spitze Ricciardo und Vettel um die Führung behakten, kämpfte knapp dahinter ebenfalls ein Red Bull-Auto gegen einen Ferrari – und beide Duos im Fernduell gegeneinander. In Runde 37 folgte der erste Vorentscheid: Vettel kam zum dritten Mal an die Box. Jetzt fanden wieder die mittelweichen M-Pneus ihren Weg auf das Auto des Deutschen, der seine vier Weltmeistertitel jeweils mit einem Motor von Renault errungen hat. Zurück auf der spanischen Grand Prix-Piste war sein Rückstand auf seinen nun drittplatzierten Teamkollegen Kimi Räikkönen beträchtlich. Ricciardo folgte im 43. Umlauf. Auch der Australier mit dem strahlend weißen Stefan-Raab-Gebiss griff zu M-Pirelli. An Vettel jedoch hatte er sich die Zähne ausgebissen: Der Ferrari-Lenker übernahm Rang drei – vor Ricciardo.
Noch 22 von 66 Rennrunden standen aus, und die Formel 1-Gemeinde fragte sich: Würden die Pneus am Auto von Verstappen und die Nerven des 18-Jährigen angesichts des heftig in seinem Rückspiegel drängelnden Räikkönen bis ins Ziel halten? Es war ein Kampf der Generationen. Als der „Iceman“ mit 21 den Sprung aus der Formel Renault direkt in die Königsklasse schaffte, war Verstappen gerade drei Jahre alt – saß aber schon im Rennkart. Heute ist der Finne mit 36 Jahren der Senior unter den Fahrern. Doch auch seine Erfahrung von 235 Grands Prix (und zwei Jahren Rallye-Weltmeisterschaft) halfen ihm in Barcelona nichts: Verstappen blieb fehlerfrei, hielt sich den Angreifer erstaunlich abgebrüht vom Leib und schonte dabei sogar noch seine Pneus. Mit 18 Jahren verewigte sich der Niederländer als der vielleicht jüngste Formel 1-Laufsieger aller Zeiten in die Geschichtsbücher dieses Sports.
Sebastian Vettel wurde hinter Räikkönen Zweiter. Er profitierte auch davon, dass der wütend attackierende und ganz offensicht deutlich schnellere Daniel Ricciardo zu guter Letzt von einem Reifenschaden heimgesucht wurde. Ihm blieb trotzdem Rang vier. Die beiden Renault R.S.16 von Jolyon Palmer und Kevin Magnussen beendeten den Spanien-Grand Prix nur 2,7 Sekunden von einander getrennt auf den Positionen 13 und 14. Beide hatten bei ihrem jeweils zweiten Boxenstopp zu den härteren H-Pneus von Pirelli gegriffen. Während Palmer damit bis ins Ziel fuhr, wechselte der Däne kurz vor Schluss noch einmal zurück auf die ganz weichen Softs.
Was glauben Sie: Wird es jemals einen jüngeren Grand Prix-Sieger geben als den 18 Jahre alten Max Verstappen?
(Stand 05/2016, Irrtümer vorbehalten)