Seit 120 Jahren gilt der Pariser Autosalon als Laufsteg für automobile Neuheiten und Schönheiten. Viele der dort gezeigten Premieren begeistern – und manche schreiben sogar Geschichte. So wie die adrette Schönheit, die Renault vor genau 60 Jahren auf dem Pariser Salon 1958 enthüllte.1 Die Renault Floride – die auch unter dem Namen Caravelle erschien – war ein Mannequin auf vier Rädern. Schön, elegant, bestens gekleidet und zuverlässig. Denn unter dem Designerkleid trug sie bewährte Großserientechnik.
Eine lang gestreckte Motorhaube, eine elegant gewölbte Panoramascheibe, angedeutete Heckflossen: So ein – um es im Vokabular der 50er Jahre zu sagen – „schnittiger“ Zweitürer konnte doch nur aus den USA kommen. Oder?
Zugegeben: Eine waschechte Französin war die Renault Floride nicht. Die Idee zu diesem schlanken Sportwagen wurde bei einem Treffen des damaligen Renault Chefs Pierre Dreyfus mit US-Händlern geboren, und die flotte Außenhaut stammte vom italienischen Star-Designer Pietro Frua. Doch spätestens, als sich die damals 25-jährige Brigitte Bardot für Werbeaufnahmen genüsslich auf der Motorhaube räkelte, war die Floride so französisch wie der Eiffelturm und so mondän wie St. Tropez.
Nachfrage nach der FLORIDE übertrifft alle Erwartungen
1958 präsentierte Renault die ersten Serienmodelle – Coupé und Cabriolet debütierten zeitgleich – auf dem Pariser Autosalon. Die Messe stand Kopf: Das elegante Profil sowie die moderne, aber zeitlose Linienführung und das intelligente Innenraumkonzept des Viersitzers begeisterten das Publikum auf Anhieb. Schon vor dem Produktionsstart ein halbes Jahr später gingen rund 8.000 Bestellungen ein – und dies keineswegs nur aus dem ursprünglich angepeilten US-Markt. Zwar erwiesen sich die Floride respektive ihr US-Schwestermodell Caravelle als großer Exporterfolg, doch auch in Europa fand das flotte Fahrzeug auf Anhieb viele Anhänger. Wegen des großen Andrangs wurden statt der geplanten 30 Fahrzeuge pro Tag bald 200 gefertigt.
Die Renault Floride wirkte mit ihrem kurzen Radstand und den langen Karosserie-Überhängen eher leger als dynamisch und machte keinen Hehl aus ihren Absichten: Sie wollte gefallen, den Stil ihrer Zeit verkörpern und Aufsehen erregen.
Brigitte Bardot und weitere Showstars liebten die Renault Floride
So extravagant sich die Renault Floride äußerlich gab, so solide zeigte sie sich unter ihrem schicken Blech. Renault hatte clever auf die bewährte Bodengruppe eines Bestsellers vertraut – sowohl die Motorisierung als auch die Bodengruppe stammten von der Dauphine. Wie bei dem knuffigen Viertürer war der Motor im Heck untergebracht, sodass die Designabteilung die Frontpartie ohne Kühlergrill frei gestalten konnte. Um die Kühler und Luftfilter mit frischem Wind zu versorgen, besaß die Floride hübsch verchromte Lufteinlässe vor den Hinterrädern. 1962 versetzten die Ingenieure den Kühler hinter den Motor, die seitlichen Kühlluftkiemen entfielen und wurden durch eine Gitterstruktur auf der hinteren Haube ersetzt.
Der Vierzylinder auf Dauphine-Basis wies mit 845 ccm Hubraum eher Kleinwagenformat auf. Folglich riss die Floride mit ihren anfänglich 40 PS keine Bäume aus, trotz theoretischen 130 km/h Topspeed. Doch der größte Fahrspaß stellte sich ohnehin bei geringem Tempo ein – etwa beim Cruisen über die Promenade des Anglais in Nizza.
Stimmig bis ins Detail verkörperte die Renault Floride den Chic und Charme der französischen Mittelmeer-Avantgarde. Kein Wunder, dass sich neben Kurvenstar Brigitte Bardot viele weitere Showstars für dieses Auto begeisterten, das seine Schönheit so unverhohlen zur Schau trug. Als echter Renault war die Floride allerdings nie ein Spielzeug für die „Reichen und Schönen“, denn durch die einfache Technik blieb dieses Modell stets erschwinglich.
Aber was heißt schon „einfach“? 1962 erschien die Floride S mit neuem 956 ccm-Motor, 51 PS und Scheibenbremsen – einzigartig in dieser Fahrzeugklasse. Wenig später wurde die gesamte Modellreihe in Caravelle umbenannt und mit dem Motor des kurz zuvor erschienenen Renault R8 bestückt, der unter anderem eine fünffach gelagerte Kurbelwelle aufwies. Ab 1964 arbeitete im wohlgeformten Heck das 1,1-Liter-Aggregat des neuen R8 Major mit 47, später sogar 52 PS Motorleistung, die den schlanken Wagen auf eine damals beachtliche Höchstgeschwindigkeit von 145 km/h trieben.
Den Fans der 1958 präsentierten Renault Floride sind bis heute ohnehin andere Werte wichtiger – eben jene luftige Eleganz, die schnörkellose Schönheit und ihr sonniges Wesen, mit dem sie seit nunmehr 60 Jahren die Welt beglückt.
1 Quelle: Renault Pressemitteilung PRP 57/18 vom 06.09.2018
(Stand 11/2018, Irrtümer vorbehalten)