64 Jahre haben die durchaus vom Motorsport begeisterten Schweizer auf ein Rundstreckenrennen in ihrer Heimat warten müssen. Am zweiten Juni-Sonntag war es endlich soweit. Der ePrix von Zürich brachte Emotionen statt Emissionen in die eidgenössische Bankenmetropole. Aus Sicht von Renault darf festgehalten werden: Überall dort, wo das Streckengeschehen die Zuschauer von den Stühlen riss, war mit einiger Wahrscheinlichkeit auch der rein elektrische Antriebsstrang des französischen Elektrofahrzeug-Spezialisten im Spiel.
So etwa bei Renault e.dams-Werksfahrer Sébastien Buemi. Der Schweizer aus dem Kanton Waadt ist seit dem Beginn der elektrisierenden und elektrifizierten Rennserie mit von der Partie, holte sich 2016 den Meistertitel und gilt mit zwölf gewonnenen ePrix als erfolgreichster Fahrer. Klar, dass der ehemalige Formel 1-Pilot und Sportwagen-Weltmeister darauf brannte, sein Können erstmals auch vor eigenem Publikum unter Beweis zu stellen. Dass es dafür auf dem verwinkelten und reichlich welligen Stadtkurs entlang des Zürichsee-Ufers neben purem Talent auch etwas Glück braucht, ahnte der 29-Jährige.
Doch Fortuna wollte dem schnellen Mann aus Aigle bei seinem Heimspiel nicht so recht zur Seite stehen – wie schon das Qualifying zeigte. Buemi setzte in seiner Gruppe zwar die zweitschnellste Zeit, doch die Strecke baute zunehmend Grip auf, wovon die Nachfolgenden profitieren. So reichte es für den Schweizer nur zu Platz sieben. Der Einzug in die sogenannte „Superpole“ der besten Sechs blieb ihm verwehrt. Dass er am Ende doch als Sechster startete, verdankte er einer Zurückversetzung von José Maria Lopez.
Egal: Wenn Buemi eines kann, dann ist es das Überholen auf engen Strecken. So auch im Züricher Rennen. Kurz nach dem Start hatte er sich bereits Jérôme d’Ambrosio geschnappt, kurz vor Halbzeit musste auch Sam Bird dran glauben. Als Trümmerteile auf der Ideallinie nach 19 von 39 Runden eine „Full-Course-Yellow“ auslösten, bei der auf dem gesamten Kurs ein 50-km/h-Tempolimit gilt, steuerte praktisch das gesamte Teilnehmerfeld die Boxengasse zum obligatorischen Fahrzeugwechsel an. Doch auch diese Hürde meisterte der Renault e.dams-Pilot gekonnt und verteidigte seine vierte Position.
Dann jedoch schlug das Schicksal in Form einer Entscheidung der Sportkommissare zu. Gleich fünf Fahrer wurden zu einer Durchfahrtsstrafe verdonnert – darunter auch Buemi. Sie hatten zu Beginn der Gelbphase zu spät gebremst. Dies warf den Lokalmatador wieder auf Platz sechs zurück. Was den Eidgenossen nur noch mehr anspornte. Mit etwas Wut im Bauch und dem „Fanboost“-Extraschub in der Hinterhand, den ihm ein Online-Voting eingebracht hat, quetschte er sich noch an Mitch Evans vorbei auf Rang fünf. Das Ende eines aufregenden Tags für den Formel E-Routinier.
„Das war ein historisches Ereignis für den Motorsport in der Schweiz – ich habe versucht, jeden einzelnen Moment zu genießen. Jetzt bin ich total platt“, bilanzierte der Eidgenosse später. „Gerne wäre ich vor eigenem Publikum aufs Podium gefahren, die Strafe hat dies leider vereitelt. Das muss ich akzeptieren, zugleich werden wir aber genau analysieren, was da passiert ist, um eine Wiederholung auszuschließen. Jetzt gilt unsere ganze Aufmerksamkeit dem Saisonfinale in New York.“
Kaum vom Glück verfolgt fühlte sich auch Nico Prost im zweiten rein elektrischen Rennwagen von Renault e.dams. Der Franzose freute sich über Startplatz sieben und einige kurzweilige Duelle auf der Strecke. Als es so aussah, als könnte er von den Strafen für die vor ihm liegenden Fahrer profitieren und ein Top-3-Resultat anpeilen, stellte sein Arbeitsgerät in der 31. Runde überraschend den Betrieb ein. „Das ist wirklich schade, an diesem Wochenende lief es bis dahin für mich richtig gut“, bedauerte der Sohn des vierfachen Formel 1-Weltmeisters Alain Prost.
Erneut starke Vorstellung von
Techeetah dank Renault Z.E.17-Power
Dass der rein elektrische Antriebsstrang von Renault das Kundenteam Techeetah beflügelt, zeigt sich schon die ganze Saison. Jean-Eric Vergne konnte bereits drei ePrix gewinnen und reiste als klarer Tabellenführer gen Zürich. Sein deutscher Kollege André Lotterer sorgte als Formel E-Rookie ebenfalls immer wieder für Aufsehen. Auch in der Schweiz, wo sich der in Duisburg geborene Kosmopolit gleich als Zweitschnellster der „Super Pole“ in der ersten Startreihe breitmachte. Im Rennen verteidigte Lotterer diese Position lange Zeit, bis er dem späteren Sieger Lucas di Grassi den Vortritt lassen musste. Doch auch der dreifache Le Mans-Sieger musste eine Boxen-Durchfahrtsstrafe antreten. Das Rennen endete für ihn auf Rang vier.
Noch dramatischer verlief der Nachmittag für Vergne: Der Franzose musste sich nach einem völlig verpatzten Qualifying mit Startplatz 17 begnügen, zettelte von dort aus aber eine furiose Aufholjagd an und hatte die Spitzengruppe fast schon wieder im Blick – doch dann gab es beim Fahrzeugwechsel ein Problem mit einem Sicherheitsgurt, bevor auch ihn die Keule der Sportkommissare traf. Mit einem wild entschlossenen Schlussspurt kämpfte sich der 28-Jährige wieder zurück in die Top 10. Vor den beiden Finalläufen im „Big Apple“ führt er die Fahrertabelle nun mit 23 Punkten Vorsprung an, Techeetah verteidigt Platz 1 mit 219 Zählern vor Abt Schaeffler (186).
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(Stand 06/2018, Irrtümer vorbehalten)