Lastesel, Aufbauhelfer, Familienfreund: Mit dem neuen Colorale stellte Renault im Mai 1950 ein besonders vielseitiges Fahrzeug vor. Es traf den Nerv der Zeit, denn im Nachkriegs-Frankreich waren Autos mit hohem praktischem Nutzwert sehr gefragt. Und tatsächlich: Der Hochdachkombi erwies sich umgehend als echtes Multitalent. Doch selbst Oldtimer-Experten kennen den Alleskönner heute kaum noch. Das Magazin AutoClassic machte sich auf Entdeckungsreise.
„Ein Pick-up namens Renault Colorale? Nie gehört, geschweige denn gesehen!“1, wundert sich der Redakteur. Wie schön, dass auch Kenner der Automobilhistorie bisweilen ratlos vor einem Klassiker stehen. Renault lud die Journalisten ein, diese Wissenslücke zu schließen und stellte dem Magazin AutoClassic für einen Fahrbericht (Ausgabe 10/2018, S. 24 – 26) einen der wenigen erhaltenen Colorale-Pritschenwagen mit Allradantrieb zur Verfügung.
Nicht nur das Modell selbst, auch manche Bedieneinheiten stellen den Klassik-Redakteur vor Rätsel, „denn der cremefarbene Alleskönner hat beispielsweise ein um 90 Grad geneigtes Schaltschema an der Lenksäule, was selbst noch so geübten Fahrern kaum geläufig ist“, wie der Tester bemerkt. Doch nach gründlicher Einweisung durch einen Mitarbeiter des Renault Depots nahe Paris kann die Testfahrt beginnen.
Zehn Karosserieausführungen für viele robuste Einsätze
Seine große Zeit erlebte der Colorale in der ersten Hälfte der 50er-Jahre. In nicht weniger als zehn Karosserieausführungen bot Renault den Neuling an, darunter Varianten als Transporter, Taxi, Pick-up, Sechs- oder Siebensitzer und Kombi. Der Modellname ist übrigens eine Komposition aus den Wörtern „coloniale“ und „rurale“ (ländlich) und fasste die Zielgruppen des Fahrzeugs zusammen: neben Landwirten auch die Bewohner der damals noch zahlreichen französischen Überseekolonien.
Passend zu den anvisierten Einsätzen auf grobem Geläuf ließ der Hersteller auf dem Pariser Salon 1951 die Allradversion Colorale „Tous Terrains“ folgen, die an der um mehr als 30 Zentimeter erhöhten Bodenfreiheit zu erkennen ist. Doch auch die heckgetriebenen Varianten scheuten Schotterpfade nicht. Zur Erprobung hatte Renault eine kleine Testflotte 10.000 Kilometer durch Nordafrika gejagt – quer durchs Atlas-Gebirge und den Süden Algeriens.
Auf Offroad-Tour wagt sich der AutoClassic-Tester mit dem wertvollen Museumsstück zwar nicht, doch „auf der Schnellstraße entlang der Seine nördlich von Versailles lässt sich der 63 Jahre alte Renault auch ohne Servounterstützung erstaunlich exakt lenken. Der drehmomentstarke Seitenventiler hängt gut am Gas und lässt den Franzosen tadellos im Verkehr mitschwimmen.“
Modellpflege mit dem modernen Zweiliter-Motor des Topmodells FRÉGATE
Der 2.383 Kubikzentimeter große, aber nur 46 Brutto-PS starke Benzinmotor war eine robuste Vorkriegsentwicklung mit seitlicher Ventilsteuerung. Bereits 1952 erhielten dann alle Colorale-Varianten den moderneren 1.996-Kubikzentimeter-Motor mit 56 Brutto-PS aus dem Renault Topmodell Frégate. Trotz der aus heutiger Sicht immer noch bescheidenen Motorisierung konnte der Colorale „Tous Terrains“ 500 Kilogramm zuladen. In den Karosserievarianten „Prairie“, „Savane“ und „Fourgon“ ist das Ladeabteil über waagerecht geteilte Hecktüren zugänglich – eine Lösung, die Renault 58 Jahre später beim Koleos wieder aufgriff.
Der Pick-up, den AutoClassic in Paris testen durfte, ist übrigens ein besonders rares Exemplar unter den etwa 1.500 gebauten 4×4-Varianten. „339 Stück wurden Mitte der 50er-Jahre für die niederländische Armee gefertigt. Das Modell, das heute zum Fundus des Depots von Renault gehört, hat als einer von wenigen überlebt“, recherchierte das Magazin und schränkt umgehend ein: „So sehr er auch nach Ländlichkeit aussieht – Schotterpisten und Off-road-Parcours wird ihm heutzutage keiner mehr zumuten wollen.“
Zuverlässig auch auf den gröbsten Marathon-Touren
Naja, warum eigentlich nicht? Immerhin bewährte sich der Colorale auf mehreren Marathonfahrten durch den Orient und Amerika, etwa beim „Renault Raid Europe–Asie–Afrique“, einer Demonstrationsfahrt über 35.000 Kilometer von Paris über Italien, den Balkan und die Türkei bis Pakistan und zurück via Nordafrika. 1951 unternahm ein französisches Team mit zwei Allradausführungen eine Fahrt von Alaska nach Feuerland. Diese Offroad-Historie inspirierte das französische Ehepaar Daniel und Sylvaine Nollan Anfang 2004 zu einem scheinbar verrückten Plan: Sie starteten mit einem Renault Colorale Savane „Tous Terrains“ zur Rallye Dakar – und kamen mit dem Oldtimer tatsächlich ins Ziel.
Nach rund 43.000 gebauten Exemplaren endete 1956 die Produktion des Colorale. Als familientaugliche Nachfolgerin stand längst die Renault Frégate in ihrer Kombiversion namens Domaine bereit. Zugegeben: Sie wirkte deutlich eleganter als der hochbeinige Lastesel. Doch da, wo richtig gerackert werden musste, machte dem Colorale so schnell keiner etwas vor.
Renault Koleos: Gesamtverbrauch kombiniert (l/100 km): 6,4-6,2; CO2-Emissionen kombiniert (g/km): 168-163.*
* Die angegebenen Werte wurden nach dem vorgeschriebenen Messverfahren VO (EG) 715/2007 und § 2 Nrn. 5, 6, 6a Pkw-EnVKV in der gegenwärtig geltenden Fassung und ohne Zusatzausstattung ermittelt. Die Angaben beziehen sich nicht auf ein einzelnes Fahrzeug und sind nicht Bestandteil des Angebots, sondern dienen allein Vergleichszwecken zwischen den verschiedenen Fahrzeugtypen. Weitere Informationen zum offiziellen Kraftstoffverbrauch, den offiziellen spezifischen CO2-Emissionen und den Stromverbrauch neuer Personenkraftwagen können dem „Leitfaden über den Kraftstoffverbrauch, die CO2-Emissionen und den Stromverbrauch neuer Personenkraftwagen“ entnommen werden, der bei allen Renault Partnern und bei der Deutsche Automobil Treuhand (DAT) unentgeltlich erhältlich ist. Der Leitfaden steht außerdem als Download zur Verfügung.
1 Quelle: AutoClassic Print (Ausgabe 10/2018, S. 24 – 26).
(Stand 11/2018, Irrtümer vorbehalten)