Das Jahr 1956 begann frostig, hatte dann aber doch noch zahlreiche herzerwärmende und geschichtsträchtige Momente zu bieten. Im Januar erzitterte Deutschland zunächst unter einer Kältewelle. In der UdSSR und in Polen sorgte die gewaltsame Niederschlagung von Protesten für triste Tiefpunkte. Doch 1956 hielt durchaus auch schöne Momente bereit: die Hochzeit zwischen Fürst Rainier III. von Monaco und der US-amerikanischen Schauspielerin Grace Kelly zum Beispiel.1 Und natürlich die „Geburt“ einer automobilen Legende – der Renault Dauphine. 2016 feiert die Marke das 60-Jahr-Jubiläum des Klassikers.
Mit dem sparsamen, schicken und geräumigen Viertürer begann für Renault eine neue Ära. Denn die Dauphine erfreute sich nicht nur in Europa großer Beliebtheit, sondern wurde rasch zum weltweiten Hit und ebnete dem Unternehmen damit den Weg zum globalen Player. Rückblick: 1956, im Premierenjahr der neuen Dauphine, surfte Renault bereits auf der Erfolgswelle und kämpfte um den Titel des europäischen Automobilherstellers Nummer eins. Das neue Modell trug maßgeblich zum Erfolg der Marke bei und gilt bis heute als Meilenstein in der Unternehmensgeschichte. Insgesamt 2,1 Millionen Neuwagenkäufer entschieden sich für den agilen Hecktriebler mit Heckmotor, der auch farblich viel frischen Wind in den bis dato recht tristen Autoalltag brachte.
Geheimsache „Projekt 109“
Die Erfolgsstory begann bereits 1949. Nach dem Zweiten Weltkrieg arbeitete eine kleine Gruppe Eingeweihter heimlich, still und leise an der Entwicklung des neuen Modells, das noch unter dem kryptischen Arbeitstitel „Projekt 109“ firmierte. Der damalige Renault Vorstandsvorsitzende Pierre Lefaucheux hatte ein klares Ziel vor Augen: Er wollte mit dem neuen Fahrzeug den amerikanischen Markt erobern. Zuvor hatte der „Vater“ der Dauphine bereits die Weichen für den Bau des Renault 4CV gestellt – den Vorgänger der Dauphine. Damit leistete er einen wesentlichen Beitrag zur Massenmotorisierung Frankreichs. Denn der inzwischen legendäre Renault 4 CV entwickelte sich rasch zum veritablen Verkaufsrenner.
Mit der Dauphine stand ab 1956 die „Thronfolgerin“ oder „Kronprinzessin“ – so die deutsche Übersetzung des Modellnamens – in den Startlöchern. Dieser geht übrigens zurück auf Marcel Wiriath. Für den Direktor der Bank Crédit Lyonnais und Mitglied des Renault Verwaltungsrates stand fest: „Der 4 CV ist die Königin! Das neue Modell kann deshalb nur die Dauphine sein!“
Renault Dauphine fasziniert mit vier
Türen und frechen Farbklecksen
Mit ihrer modernen Pontonkarosserie setzte die Dauphine wegweisende Designakzente. Im Gegensatz zu den meisten Konkurrenten wartete der Renault zudem ab Werk mit vier Türen auf. Die Passagiere profitierten von großzügigen Platzverhältnissen, dem 380 Liter großen Kofferraum, vorbildlicher Vielseitigkeit, dem günstigen Preis sowie einem niedrigen Verbrauch von 5,9 Litern Kraftstoff auf 100 Kilometern. Für Vortrieb sorgte der im Heck platzierte wassergekühlte Vierzylinder, der aus 845 Kubikzentimetern Hubraum 30 PS mobilisierte. Der Hecktriebler verfügte über ein Dreiganggetriebe und zählte mit einer Höchstgeschwindigkeit von 115 km/h zu den flotteren Vertretern im Kleinwagensegment.
Während die Modelle anderer Hersteller ihr Autoleben zumeist in freudlosen Farbtönen fristeten, setzte die Renault Dauphine von Beginn an betont bunte Akzente – zum Beispiel mit den Lackierungen „Rouge Montijo“ oder „Jaune Bahamas“. 1961 erweiterte Renault die Modellpalette unter anderem um die Luxusversion „Ondine“. Hinzu kamen diverse Sportvarianten sowie 1964 eine Automatik-Variante mit hochmoderner Drucktastenvorwahl. Ab 1962 stieg die Leistung des Vierzylinders auf 32 PS. Für besonders sportlich ambitionierte Fahrer bot Renault im selben Jahr die limitierte Serie Dauphine 1093 an: Sie schickte 55 PS über ein Vierganggetriebe an die Hinterräder. 1959 präsentierte Renault sogar eine Dauphine mit Elektroantrieb – sozusagen der Vorgänger der aktuellen 100% elektrischen Z.E.2 Modelle von Renault.
Die Dauphine erobert Amerika
In Europa fand die Renault Dauphine schnell viele Fans. 1961 feierte Renault die Produktion des 1,5-millionsten Fahrzeugs, die Montage der 100.000sten Auslands-Dauphine und den Export des 850.000sten Exemplars. Denn auch auf der anderen Seite des Großen Teiches trat die „Exportlokomotive“ einen beeindruckenden Siegeszug an: In Amerika verkaufte die Marke mit dem Rhombus im Logo 1957 bereits 28.000 Exemplare, ein Jahr später entschieden sich 57.000 Amerikaner für den Viertürer und 1959 orderten 102.000 Neuwagenkäufer ihre Dauphine. Um die Autos vom Werk in Flins über die Weltmeere zu schippern, gründete Renault sogar eigens eine Transportgesellschaft und stattete diese mit Ozeanriesen aus. Später rollte die Renault Dauphine auch außerhalb Frankreichs vom Band – unter anderem in Brasilien, Argentinien, Mexiko, Algerien, Kamerun, Dahomey (heute Benin), dem Tschad sowie der Zentralafrikanischen Republik. Vom Erfolg der Dauphine wollte auch Alfa Romeo profitieren: Ab 1959 verkauften die Italiener das Modell unter dem Namen „Dauphine Alfa Romeo“.
Vom Familienauto zum
Siegerfahrzeug im Motorsport
Auch auf den Renn- und Rallye-Pisten dieser Welt feierte die Renault Dauphine zahlreiche Erfolge: Auf ihr Konto gehen erste Plätze bei der Mille Miglia, der Rallye Monte Carlo, den Zwölf Stunden von Sebring, der Tour de Corse und der Rallye Lüttich-Rom-Lüttich. Ab 1957 bescherte der als „Hexenmeister“ bekannte legendäre Tuner Amédée Gordini im Auftrag von Renault allen Fans der besonders flotten Gangart diverse werksgetunte Varianten.
Nach 2.150.738 Exemplaren endet 1965 die Produktion der Dauphine – jenem Modell, mit dem Renault zur Weltmarke aufstieg. Das letzte Gordini-Modell rollt 1967 vom Band. Mit dem Renault 8 steht bereits seit 1962 der Nachfolger in den Startlöchern. Doch das ist eine andere Geschichte…
Welche persönlichen Erinnerungen verbinden Sie mit der Renault Dauphine?
1 Quelle: www.was-war-wann.de.
2 Zero Emission – keine Emissionen im Fahrbetrieb.
(Stand 09/2016, Irrtümer vorbehalten)