Es war ein Kopf-an-Kopf-Rennen vor dem Großen Preis von Deutschland: Red Bull Racing gegen Ferrari. Seit Beginn der diesjährigen Formel 1-Saison behaken sich beide Teams um Platz zwei in der Konstrukteurs-WM – wobei die Bullen-Marke vor allem von der Nullrunde beim Grand Prix von Russland zurückgeworfen wurde. Doch die Renner von Daniel Ricciardo und Max Verstappen, der nach der Sotschi-Pleite das Auto von Daniil Kvyat übernommen und direkt den Sensationssieg von Barcelona errungen hatte, kämpften sich beständig zurück. Angetrieben vom gleichen Turbo-Hybridmotor, der auch die Werkswagen von Renault befeuert, konnten sie sich vor dem Hockenheim-Rennen bis auf einen Punkt an die Scuderia heranarbeiten. Und im Badischen stand nichts weniger als die Wachablösung auf dem Programm.
Schon im Qualifying hatten Ricciardo und Verstappen gezeigt, dass sie es auf dem 4,574 Kilometer langen Parcours mit Ferrari aufnehmen können: Der Australier und sein erst 18 Jahre junger Teamkollege aus den Niederlanden bezogen hinter den Silberpfeil-Piloten Nico Rosberg und Lewis Hamilton die zweite Startreihe, während sich Kimi Räikkönen und Vierfach-Weltmeister Sebastian Vettel – der alle seine Titel mit einem Motor von Renault Sport F1 errungen hat – mit Reihe drei begnügen mussten. Doch bereits der Start würfelte das Klassement ordentlich durcheinander: Rosberg kam schlecht vom Fleck und fiel auf Platz vier zurück, Hamilton übernahm die Führung und Verstappen schob sich mit einer mutigen Aktion auf der Außenseite der ersten Kurve an Ricciardo vorbei auf Rang zwei. Das ging schon einmal gut los…
Auch nach der ersten Boxenstopp-Runde blieb die Reihenfolge an der Spitze gleich: Titelverteidiger Hamilton ganz vorn, Verstappen und Ricciardo dahinter, dann Rosberg in Lauerstellung. Alle Beteiligten versuchten, einen guten Kompromiss zwischen schneller und reifenschonender Fahrweise zu finden. Aber Rosberg setzte auf eine andere Strategie und kam in der 27. von 67 Runden zum zweiten Reifenwechsel – eine Taktik, die Verstappen einen Umlauf später kopierte. Der Youngster kehrte nur knapp vor dem Deutschen auf die Strecke zurück, der daraufhin in der Spitzkehre eine denkwürdige Attacke ritt: Viel zu spät auf der Bremse, setzte er sich auf der Innenseite neben den Holländer, fuhr aber am Einlenkpunkt vorbei und zwang seinen Kontrahenten auf diese Weise ebenfalls auf eine weite Linie. „Er hat mich von der Strecke gedrängt“, beschwerte sich Max über Funk hörbar empört.
Mit Leichtigkeit übernahm
Ricciardo den zweiten Rang
Das wäre gar nicht nötig gewesen: Auch den Sportkommissaren blieb der zweifelhafte Angriff nicht verborgen, der irgendwie an das Silberpfeil-interne Duell von Österreich erinnerte – und sie verhängten eine Fünfsekundenstrafe gegen Rosberg, abzusitzen beim nächsten Boxenstopp. Aus dem Rennen um den Sieg, so viel stand damit fest, war er heraus. Auch wenn ihn die unterschiedlichen Reifenwechselstrategien zwischenzeitlich bis auf die zweite Position nach vorne befördert hatten.
Derweil stellte Verstappen fest, dass die superweichen „roten“ Pneus seines Renners nicht gut funktionierten und er seinem australischen Teamkollegen nicht viel entgegen setzen konnte – mit Leichtigkeit übernahm Ricciardo in Runde 40 den dritten Rang, aus dem bald wieder ein zweiter wurde, als Rosberg an der Box seine Zeitstrafe absaß. Damit stand das Endergebnis auch fast schon fest: Sieg für Hamilton, Rang zwei und drei für Red Bull Racing sowie die Plätze fünf und sechs für Vettel und Räikkönen. Die von dem bei Renault Sport F1 produzierten TAG-Motor angefeuerten Boliden des österreichischen Rennstalls sind wieder zweitstärkste Kraft in der Formel 1.
Schwieriges Rennen für den
hauseigenen Rennstall von Renault
Für das Werksteam von Renault hingegen gab es im Badischen weniger zu lachen – auch wenn es Jolyon Palmer im Qualifying aus eigener Kraft in die Runde der besten 16 geschafft hatte. Der junge Brite erwischte sogar einen barenstarken Start und war auf dem direkten Weg in die Punkteränge, als er beim Anflug auf die zweite Kurve beide Vorderreifen eckig bremste. „Das hat so starke Vibrationen verursacht, dass ich fast nichts mehr sehen konnte“, klagte der 25-Jährige, der sich vor der anschließenden Spitzkehre trotzdem einen McLaren vom Hals halten wollte – dabei aber den Williams von Felipe Massa touchierte. Der vorgezogene Boxenstopp warf Palmer ans Ende des Feldes zurück, mehr als Rang 19 lag für ihn danach nicht mehr in Reichweite.
Kevin Magnussen im zweiten Renault R.S.16 hatte aufs falsche Taktikpferd gesetzt: Auf zwei Stopps programmiert, musste er spätestens im letzten Renndrittel einsehen, dass gegen die Konkurrenz mit ihren drei Reifenwechseln kein Kraut gewachsen war. Obwohl auch der Däne zwischenzeitlich an den Punkterängen kratzte, fielen seine Gegner nach und nach über den 23-Jährigen her. Nur mit Mühe rettete er den 16. Platz ins Ziel. Renault Sport Formel 1-Renndirektor Fred Vasseur: „Trotzdem nehmen wir auch Positives aus diesem Rennwochenende mit nach Hause – etwa, dass wir auf Augenhöhe mit den Haas und Toro Rosso kämpfen konnten. Das war bei vorherigen Grands Prix noch nicht so.“
Wird sich Red Bull Racing auch nach der Sommerpause gegen die Scuderia Ferrari behaupten können?
(Stand 07/2016, Irrtümer vorbehalten)