Die R4-Restaurierung von Jörg Kettern ist ein herrliches Beispiel für automobile Leidenschaft. Pünktlich zum Jubiläum „60 Jahre Renault 4“ haucht der Saarländer – der gerade selbst 60 Jahre jung wurde – einem Renault 4 von 1983 neues Leben ein. Wir begleiten das Projekt in einer mehrteiligen Serie. In Folge zwei schauen wir dem Oldtimer-Fan beim Puzzeln für Fortgeschrittene über die Schulter.
Ungläubig starrt der Redakteur auf die zahlreichen Blechdosen, in denen sich unterschiedliche Schrauben, Plastikteile, Unterlegscheiben und allerlei undefinierbare Kleinteile tummeln. Klar, Jörg Kettern hat das wüste Durcheinander – treue Leserinnen und Leser erinnern sich noch an den 1. Teil unserer Serie zur R4-Restaurierung – in stundenlanger Sortierarbeit mittlerweile in ein vorbildliches Ordnungssystem überführt. Aber wie um alles in der Welt will der Schrauberkönig aus dem Saarland beim Wiederaufbau seines Renault 4 denn nun nachvollziehen, wo welche Schraube hingehört, welche Funktion die zahllosen Klammern erfüllen und was das großartige französische Ganze ehemals im Kleinen zusammenhielt?
R4-Restaurierung: Großes entsteht im Kleinen
Ein verschmitztes Grinsen huscht über das Gesicht des Tausendsassas. „Das bekomme ich schon hin. Aber du hast ja noch gar nicht die geheimnisvollen Schablonen gesehen! Die bereiten mit gerade wirklich Kopfzerbrechen.“ Die Rede ist von penibel ausgeformten Pappmustern, die der inzwischen verblichene Vorbesitzer des R4 vor vielen Monden in Handarbeit hergestellt hatte, um sein Werk der R4-Restaurierung irgendwann einmal fertigstellen zu können.
Allein, wozu sollten die Schablonen dienen? Und wo gehören sie hin? Die darauf befindlichen, inzwischen ebenfalls stark verblichenen Bleistift-Markierungen helfen auch nicht wirklich weiter, sondern tragen eher noch zusätzlich zur Konfusion bei. „Das ist ein Puzzle für Erwachsene“, sinniert Jörg. Ehefrau Maria Kettern ergänzt kühl: „… für irre Erwachsene!“ Aber sie weiß genau: Wenn es einer schafft, diesen Wirrwarr in einen wunderschön restaurierten Oldtimer zu verwandeln, dann ist es ihr Jörg.
Der feuerrote Franzose erlebt seinen zweiten Frühling
Und in der Tat – wenige Wochen später sind beim Projekt R4-Restaurierung bereits enorme Fortschritte erkennbar. Der fast 40 Jahre alte Franzose erstrahlt nach einer Komplettlackierung bei der Überherrner Firma Mosolf Logistik in herrlichem Rot. Der anschließende Zusammenbau des Oldies hatte dem versierten Schrauber und Hobby-Rallyefahrer jedoch noch einiges an Kopfzerbrechen bereitet.
„Das fing bei der Verkabelung an und hörte beim Verlegen der Bremsleitungen nicht auf. Die musste ich teilweise zwei oder drei Mal aus- und anschließend wieder einbauen, bis alles passte. Die Crux: Je nach Baujahr und Version verfügte der Renault 4 über einen Bremskraftregler mit zwei, drei oder vier Anschlüssen für die Bremsleitungen.“ Entsprechend schwierig war die Frage zu beantworten, welche Reihenfolge bei der Montage der Leitungen an diesem Exemplar aus dem Jahr 1983 die richtige ist. In Ermangelung einer Einbauanleitung studierte Jörg Kettern kurzerhand entsprechende Bilder in Foren und wurde schließlich fündig.
Stück für Stück fügte sich das „Puzzle für irre Erwachsene“ zu einem ansehnlichen Oldtimer. Dabei wartet der R4 von Jörg Kettern sogar mit einigen Besonderheiten auf: Zusätzlich zum aufklappbaren Sonnendach punktet der Klassiker mit einer Hochleistungs-Kondensatorzündung und originalen Felgen aus dem New/Old Stock-Lagerbestand von Renault. Diese glänzen wie neu und verleihen dem französischen Beau das perfekte Finish. Außerdem spendierte Jörg Kettern seinem R4 noch Innenkotflügel aus Aluminium.
In diesem Renault 4 gibt’s was auf die Ohren
Für die passende musikalische Untermalung bei künftigen Touren sorgt das originale Cassetten-Radio von 1983. „Als ich das Auto gekauft hatte, gab das Radio keinen Mucks mehr von sich.“ Der mobilen Jukebox neues Leben einzuhauchen, war für den Energieanlagen-Elektroniker freilich eine seiner leichtesten Übungen. Kniffliger gestaltete sich da schon die Feinjustierung der Türen. „Die Türdichtungen aus dem Zubehörhandel erwiesen sich als zu dick, was dazu führte, dass die Türen nicht mehr korrekt ins Schloss fielen. Also entschied ich mich dazu, die originalen Dichtungen aufzubereiten. Jetzt passt alles!“, freut sich der Oldtimer-Fan.
Langsam aber sicher biegt das Projekt R4-Restaurierung von Jörg Kettern auf die Zielgerade ein. Nach mehr als 500 Arbeitsstunden ist es nicht mehr weit bis zur Jungfernfahrt. Maria Kettern kann die erste Erlebnisreise in ihrem neuen, alten Renault 4 kaum erwarten. Klar, dass auch wir dann wieder mit dabei sein werden. Bis dahin üben wir uns noch etwas in Geduld – ein gutes Puzzle braucht eben seine Zeit…
(Stand 10/2021, Irrtümer vorbehalten)