Die R4-Restaurierung von Jörg Kettern ist ein ganz besonderes Beispiel für automobile Leidenschaft. Pünktlich zum 60-Jahr-Jubiläum des Klassikers haucht der Saarländer – der jüngst selbst 60 Jahre jung wurde – einem Renault 4 von 1983 neues Leben ein. Wir begleiten das Projekt in einer mehrteiligen Serie. In der ersten Folge erzählen wir, wie Jörg und sein R4 zusammenfanden.
Ein Renault 4 gehörte bei Ketterns schon länger zur Familie. Maria, die Dame des Hauses, erfüllte sich bereits Mitte der 2000er Jahre den Traum vom eigenen R4 – ein rotes Exemplar, Baujahr 1990, aus erster Hand. Ohne Schiebedach, dafür aber mit lediglich 90.000 Kilometern. Sie hatte den französischen Klassiker zufällig auf einem Foto entdeckt und wusste sofort: „Den will ich haben!“. Es war Liebe auf den ersten Blick. Das neue Familienmitglied kam während der Frühlings- und Sommermonate fortan fast täglich zum Einsatz. Maria und ihr R4 spulten gemeinsam zahlreiche Kilometer ab.
Doch der Zahn der Zeit ging an dem inzwischen 30 Jahre alten aber dennoch überaus zuverlässigen Alltags-Oldtimer nicht spurlos vorüber. 2020 war klar: Früher oder später benötigt der Lack des ehemals feuerroten Franzosen eine Frischzellenkur. Die gnadenlose UV-Strahlung der saarländischen Sonne hatte ihre Spuren hinterlassen. „Wir spendierten dem R4 eine Lackaufbereitung, wussten aber, dass der Lack seine besten Zeiten bereits hinter sich hatte“, skizziert Jörg Kettern. Der versierte Schrauber und Hobby-Rallyefahrer wusste, was das bedeutet: „Ich hätte den R4 bis auf die Rohkarosse demontieren müssen.“ Für den Energieanlagen-Elektroniker handwerklich kein Problem. Allein, es fehlte die Zeit dazu.
R4-Restaurierung: Adieu R4! Bonjour R4!
„Zufällig fand ich auf einem Online-Portal ein Exemplar, das bereits in seine Einzelteile zerlegt war.“ Also schmiedete Jörg einen cleveren Plan: Warum nicht den aktuellen R4 verkaufen und stattdessen das Projekt R4-Restaurierung mit einem neuen, alten „Baby“ in Angriff nehmen? Die Herzensdame war von der Idee nicht begeistert, schließlich erfreute sie sich fast jeden Tag an ihrem Renault 4. Doch die Aussicht auf einen von Grund auf restaurierten feuerroten R4 ließ sie letztlich doch zähneknirschend zustimmen.
Marias treuer Begleiter fand in Hamburg eine neue Heimat. Und Jörg machte sich mit einem Anhänger auf den Weg in die Oberpfalz, um das neue Familienmitglied abzuholen: einen Renault 4, Sondermodell „Jogging“, Baujahr 1983 aus Erstbesitz. Ebenfalls in Rot, mit original erst 48.000 Kilometern auf dem Tacho und dem 1,1 Liter großen, 34 PS starken Vierzylinder unter der Motorhaube. Im Gegensatz zum Vorgänger verfügte dieses Exemplar sogar über ein Glas-Hubdach.
Renault R4 mit Original-Handbüchern und penibel geführtem Fahrtenbuch
Für Jörg war der fast 40 Jahre alte Franzose aber auch aus einem ganz anderen Grund ein echter Glücksgriff: „Zum Fahrzeug gehörten zahlreiche Originalteile von Renault, die der Vorbesitzer in den 1990er Jahren gekauft hatte, um das Auto zu restaurieren“, freut sich der Saarländer.
Darüber hinaus zählten auch die originalen Hand- und Servicebücher sowie ein penibel geführtes Fahrtenbuch zum R4-Komplettpaket. Darin hatte der erste, inzwischen verstorbene R4-Eigner jede einzelne Betankung und jeden Liter nachgefüllten Öls dokumentiert. Der letzte Eintrag datiert aus dem August 1992. Danach wurde der R4 offenbar für die eigentlich geplante Restaurierung in seine Einzelteile zerlegt, blieb aber über all die Jahre durchgängig zugelassen.
Jörg und das Puzzle für Erwachsene
Nachdem der Klassiker rund drei Jahrzehnte im Dornröschenschlaf geschlummert hatte, nahm sich Jörg Kettern der bis dato unvollendeten Restaurierung an. Das Projekt Wiederbelebung nahm Fahrt auf – zunächst auf dem Anhänger. Von der Oberpfalz ging es ins rund 500 Kilometer entfernte Saarland. Dass bei der R4-Restaurierung ein hartes Stück Arbeit auf ihn zukommen würde, war Jörg klar. Was er bis zu diesem Zeitpunkt jedoch nicht wusste: Ihm stand eine anspruchsvolle Puzzle-Arbeit bevor.
Denn im Laufe der Jahrzehnte waren die zahllosen, ehemals sorgfältig sortierten Schrauben und Bauteile des Renault 4 gehörig durcheinandergeraten. „Viele Kleinteile hatte der Vorbesitzer in beschrifteten Plastiktüten verstaut. Diese lösten sich im Laufe der Zeit auf und ich ,erbte‘ ein beeindruckendes Chaos aus Muttern, Schrauben, Schläuchen und anderen Bauteilen.“ Wer den umtriebigen „Schrauberkönig“ kennt, weiß, dass sich Jörg davon aber nicht abschrecken ließ.
Wie er das „Puzzle für Erwachsene“ in Angriff nahm, den Renault 4 für seine Neulackierung vorbereitete und wie das neue Familienmitglied im Hause Kettern nach dem Termin beim Lackierer erstrahlte, lesen Sie in der nächsten Folge unserer Geschichte zur R4-Restaurierung.
Bildquelle R4: Jörg Kettern
(Stand 5/2021, Irrtümer vorbehalten)