Vor vier Jahrzehnten präsentiert der Ingenieur und Umbauspezialist Christian de Léotard seinen Renault 5 6×6. Für den Einsatz bei der damals zweiten Auflage der Wüstenrallye Paris-Dakar hat er den kompakten Kleinwagen in einen extrem geländegängigen Dreiachser mit Allradantrieb verwandelt. Zum 40. Geburtstag der Konstruktion reisen wir zurück in ein abenteuerliches Kapitel der Unternehmensgeschichte von Renault.
1979 brennt die Autowelt für die Wüste, entflammt durch das Rallye-Spektakel der Debütveranstaltung Paris-Dakar zur Jahreswende 1978/79. Bei der ersten Durchführung starteten am 26. Dezember insgesamt 182 Fahrzeuge in Paris. Nach einem rund 10.000 Kilometer weiten Ritt durch Frankreich, Algerien, Niger, Mali und Obervolta erreichten am 14. Januar 1979 noch 74 Teilnehmer das Ziel in der senegalesischen Hauptstadt Dakar. Darunter auf Platz 71 ein Renault KZ 11 CV als geschichtsträchtiger Oldtimer. Mit demselben Modell war 1927 ein französischer Kommandant in 36 Tagen ganze 18.000 Kilometer von der westalgerischen Küstenstadt Oran bis nach Kapstadt gefahren. Als bestplatzierter Markenvertreter kam im jungen Jahr 1979 ein Renault 4 mit Allradantrieb von Sinpar auf Rang fünf ins Ziel.1 Der Ehrgeiz, diese Tortur besser zu bezwingen, ist geweckt.
Ernste Absichten mit dem Renault 5 6×6
Für die zweite Auflage des Wüstenmarathons schreibt sich Konstrukteur Christian de Léotard maximale Geländegängigkeit ganz oben ins Lastenheft. Sein R5 6×6 mit der Startnummer 210 verfügt über Allradantrieb – und das an drei Achsen. Zur Unterbringung der zusätzlichen Hinterräder wächst der als Basis dienende R5 turbo von 3,5 auf 4,2 Meter Länge. Auch an Gewicht legt er deutlich zu und bringt nun 980 anstatt der serienmäßigen 800 Kilo auf die Waage. Grund dafür ist nicht nur der Kombiaufbau der Karosserie, vielmehr fallen die neuen inneren Werte ins Gewicht.
Renault 5 6×6 mit Allradsystem vom Bau
De Léotard installiert im Stretch-R5 ein hydrostatisches 6WD-System, wie man es aus Baumaschinen und von landwirtschaftlichen Fahrzeugen kannte. Im Unterschied zu konventionellen Allradantrieben leitet eine Ölsäule, die in eine horizontale Bewegung versetzt wird, die Motorleistung den Hinterachsen zu. Kraft hat der sechsrädrige „Kleine Freund“ übrigens ausreichend: Vorne sorgte der 93 PS starke 1,4-Liter-Vierzylinder für ambitioniertes Vorankommen, wie er auch in der frontgetriebenen Sportversion Alpine Dienst versah. Die Heckpartie entstammte dem breitbackigen Mittelmotor-Derivat R5 turbo mitsamt dessen 160 PS leistenden Aggregat.
Der mutige Konstrukteur und sein Co-Pilot Francis Dumortier2 scheiden beim einzigen Paris-Dakar-Einsatz des aufsehenerregenden Gefährts früh aus. Doch der verblüffenden Kreation ist eine erfolgreiche Zweitkarriere bei eiligen Einsätzen im öffentlichen Dienst beschieden: als Polizei- und Krankenwagen sowie als Feuerwehr-Kommandofahrzeug. 1982 holte Renault den Paris-Dakar-Gesamtsieg nach: Die Gebrüder Marreau – Garagisten aus Nanterre, die als allererste Teilnehmer der „Dakar“ überhaupt gelten und 1979 mit jenem R4 Sinpar dabei waren – hatten einen Renault 20 Turbo 4×4 mit 133 PS starkem 1,6-Liter-Motor für den Sahara-Marathon tauglich gemacht und gewannen mit 79 Minuten Vorsprung. Auch für die Ausgaben von 1999 und 2000 steht Renault in der Siegerliste: Sportwagen-Weltmeister und Wüstenfuchs Jean-Louis Schlesser hatte seine selbst konstruierten Buggies mit dem 3,5 Liter großen V6-Motor der Marke ausgestattet.
1 Quelle Paris-Dakar 1979: www.dakardantan.com.
2 Quelle Paris-Dakar 1980: www.dakardantan.com.
(Stand 09/2019, Irrtümer vorbehalten)